Wein am Limit - Hendrik Thoma
31.07.2013 - Folge 125

Oxycuted!

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Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2006 Kisi
Schuchmann Estate, Kachetien
Soulfaktor 3
10-20 Eur
2010 Kisi
Schuchmann Estate, Kachetien
Soulfaktor 5
10-20 Eur
2009 Testalonga „El Bandito“
Craig Hawkins, Swartland
Soulfaktor 5
10-20 Eur

Liebe WaLinauten,

heute sind etwas ungewöhnliche Weine am Start. Verantwortlich dafür ist Eder Gonzales aus Mexiko, der, von London aus kommend, auf seinem Zwischenstopp das WaL-HQ aussuchte. Er war schon einmal in der WaL Folge 38 zu Gast und ist mittlerweile Student beim „Wines and Spirts Education Trust“ in England. Angefangen hatte der Abend bei ein paar schwer genießbaren, schwefelfreien „Naturweinen“, die Eder im Gepäck hatte. Das führte den Abend zu den „Freebies“, die man immer mal mit jemand Sachverständigen oder Neugierigen trinken wollte.

Die Kisi-Traube ist in Georgien selten und gilt als eine der besten Weißweinsorten aus der Wiege des Weinbaus, Georgien, am Fuß des Kaukasus-Gebirges. Hier versteht man sich noch auf die alte Tradition des Ausbaus in den Qvevris, den großen Amphoren, die in der Erde eingegraben werden. Das Weingut Schuchmann gehört einem deutschen Investor, der mit viel Liebe zum Detail eine alte Tradition des Weinbaus erhält.

Die beiden vorgestellten Jahrgänge 2006 und 2010 schmecken sehr unterschiedlich. Wobei mich der 2010er eindeutig mehr in den Bann zieht. Ein leicht bronze Farbe mit leicht grünlichen Reflexen. Ein rauchig-harziger Duft gemischt mit Boskopapfel und Aprikosen durchweht das Glas. Er hat eine cremige, seidige Textur, die von einer frischen Säure begleitet wird. Ein polarisierender, toller Wein, der den Geschmackssinn fordert. Er hat etwas archaisches und ein Aroma, das viele Menschen gar nicht (mehr) kennen. Für so ein ungewöhnliches Erlebnis braucht es etwas Zeit und Ruhe. Ein echter Meditationswein. Spannend zu salzigen und säuerlichen Gerichten.

Gleiches gilt auch für den ungewöhnlichen Wein aus der Rebsorte Chenin Blanc, namens „El Bandito“, von Craig Hawkins aus dem Swartland. Normalerweise arbeitet er als „Winemaker“ bei Lammershoek und hat einige Jahre bei Dirk van der Niepoort in Portugal gearbeitet. „El Bandito“ ist sein Projekt. Craig glaubt an lange Maischestandzeiten (dem Auslaugen auf den Traubenhäuten) auch bei Weißweinen. Ein ungewöhnlicher junger Winzer und ein Ausnahmetalent. Das wird ihm von den besten Instanzen der Branche bescheinigt, obwohl seine Weine von der hiesigen Weinprüfung nicht zugelassen werden. Daher wohl der Zusatz auf dem Etikett: „Made from Grapes“.

Dieser fast ungeschwefelte Wein, der vier Wochen auf seinen Häuten mit Hilfe von karbonischer Mazeration (Kohlensäuremaischung) ausgelaugt wurde ist ein Wahnsinnserlebnis. Sorry, hier ist ein Fehler von mir: CO2 ist natürlich Kohlendioxid und kein Stickstoff. Allerdings sorgt das Kohlendioxid auch dafür, dass kein Sauerstoff an den Maischehut kommt und der Wein somit seine Frische behält.

Im Glas hat der „El Bandito“ ein tiefe, noch sehr jugendliche Farbe. Ungewöhnlich dicht und trotzdem frisch. Mineralisch herb, Zitrusfrüchte, Pfirsich und ein Hauch Honig im Aroma. Ein außergewöhnlicher Wahnsinnsstoff, den man kaufen sollte – vorausgesetzt, man findet ihn. Kann mit etwas Temperatur immer besser und komplexer werden. Noch sehr, sehr jung. Deswegen: „Adults only!“

Ohne Schwefel im Wein geht es auch, aber nur wenn man es kann …

Cheers,

Euer Hendrik

Kommentare

15 Kommentare zu “Folge 125 : Oxycuted!

  1. Danke, Hendrik! Hat mir Spaß gemacht diese Folge zu sehen und Dir zuzuhören. Auch die beiden verlinkten Videos sind sehr interessant. Bei den Kindern ist deutlich zu sehen wie anfängliches Erschrecken oder Ablehnung bei weiterer Erforschung des Geschmacks in Freude und Begeisterung umschlägt. Bei der netten Dame die den Wein im zweiten Video verkostet ab 02:20 min – bin ich mir allerdings nicht so sicher was sie empfindet. Sie starrt für eine Schrecksekunde direkt in die Kamera nachdem sie sich beim ersten Schluck zur Seite aus der Kamera weggedreht hat – seltsame Reaktion. ;o)

    Vielleicht bin ich gestern diesem Geschmackskosmos unbeabsichtigt schon nahe gekommen als ich zu frittierten Tintenfischringen 1 Glas Retsina trank und als Aperitif 1 Glas Lillet (aus Bordeaux-Wein) mit TonicWater und Zitronenscheibe. :-D
    Die Farbe von Retsina und Lillet passten jedenfalls exakt in diesem Zusammenhang.

    Übrigens, sprachst Du nicht noch von einem dritten Link? Kommt der noch?

    1. Danke für den 3.Link, Hendrik.
      „…im Saloon von Gütersloh – Spart er auf einen Gartengrill“
      Hätte ich nicht gedacht, dass damit hörenswerte Töne entstehen die den Zuhörer in seinen Bann ziehen.
      [http://www.youtube.com/watch?v=Z_DhNLCyVss]

  2. ich mag deine art dinge zu erklären.
    ich freue mich dass du dieses thema aufgreifst. denk was du willst aber als kunde muss ich mir auch zu helfen wissen, weinkauf ist nicht einfach, vor allem die kurzschlussinterpretationen vieler
    händler.
    wie ich schon im letzten text angefangen habe, die weinkarte vom NOMA hält einige kandidaten bereit die mit dieser ohne schwefel richtung arbeiten.
    mein letzter rotwein aus diesem sektor war cote de beaune von emmanuel giboulot, dieser war eher flach, und hatte diesen ohne schwefel effekt, irgendwie natuerlich, schoene animalische beiklänge ( ich mag das) auch schoen leicht auf der zunge aber von den aromen sehr kurz angebunden, flach.
    bei meinem letzten paris aufenthalt bin ich in vielen bars auf vin naturel gestossen. was man dem zugute halten muss, er ist leicht , hat auf der zunge eine frische und unbeschwertheit die man suchen muss, aber ebenfalls, sie sind sehr kurz angebunden, schmecken wie der apfelwein meiner grossmutter- oxidiert und etwas bitter,
    trotzdem ist da etwas interessantes, lebendiges.
    ich bin kein sommelier aber dennoch gelernter koch und ich komme aus einer oeko familie.
    und es gibt ein moment der „lebendigkeit“ in Nahrungsmitteln. bei den italienern findet man es in den antipasti die alle medium to rare gehalten sind, im japanischen der rohe fisch, bei den koreanern das „zappelnde“ halb lebendige meeresgetier, ich glaube selbst im noma gabs schon lebende garnelen.
    technisch sagt man, dass die enzyme bei 42 grad sterben.
    diese ganzen beschreibungen haben nichts mit weinherstellung zu tun, aber trotzdem suche ich immer wieder dieses „rohe“ moment im wein.
    der wein vom gut oggau hatte schon viel davon, er hat sehr an weisse burgunder erinnert aber war trotzdem viel schillernder und mehrdeutiger in seiner art.
    heute hatte ich einen moric reserve 2008, der hat auch neben den frucht oder was weiss ich aromen dieses schillernde, kuhlstall-animalisch tischtenniskleber uhu lösungsmittel was ihm eine andere dimension, etwas abgruendiges gibt.
    alle nahrungmittel mit einer gewissen komplexität nehmen auch an verfallsprozessen teil, rindfleisch, kaese, selbst fruechte ( zb honigmelonen)
    haben ihren reifepunkt in dem sie fast alkoholisch, schillernd werden.
    vielleicht hast du ja noch ein paar weintipps aus dieser ecke.
    best gruesse

  3. Hallo Henrick,
    Find ich super das Thema! Nur den Ganevat muss ich etwas in Schutz nehmen. Gut ich gebe zu die Roten habe ich noch nicht probiert, aber die Weißen sind wirklich Spitze! Wer die Art der Jura Weine nicht mag, ob Normal ausgebaut oder Speziell, der wird mit Ganevat natürlich so oder so nichts Anfangen können.
    Mach weiter so und danke für deinen Einsatz!!!
    Mathias

  4. Hallo Hendrik,
    Find ich super das Thema! Nur den Ganevat muss ich etwas in Schutz nehmen. Gut ich gebe zu die Roten habe ich noch nicht probiert, aber die Weißen sind wirklich Spitze! Wer die Art der Jura Weine nicht mag, ob Normal ausgebaut oder Speziell, der wird mit Ganevat natürlich so oder so nichts Anfangen können.
    Mach weiter so und danke für deinen Einsatz!!!
    Mathias

  5. Hallo Hendrik,
    das Güterslohvideo kenn ich von irgendwoher …
    Wann ist denn der nächste Livestream? Kanns kaum abwarten. Falls du übrigens magst, am Sonntag kommt bei uns Folge 100. Es lohnt sich sicher mal reinzuschauen.

  6. Hallo Hendrik,
    was hälst du von von Aromen-Setzkästen? Kann man die Nase damit üben oder würdest du eher einen Obstkorb kaufen?
    Hast du schon darüber nachgedacht eine Folge über Weinfehler zu machen?

    Danke für deine hochwertige Arbeit und zum Wohl

    1. Moin Hemlock,

      die Aromaskästen von ‚Le Nez du Vin‘ gefallen mir ganz gut, aber nicht alle Düfte sind gleich gut. Ein Beitrag über Weinfehler ist tatsächlich in Planung. Viele Grüsse, Hendrik

  7. Die Kinder im verlinkten Video sind mit ihrem Geschmackssinn noch völlig unerfahren um zu wissen was fehlerhaft oder einwandfrei oder ein Genuss ist. Diese „heilige Unschuld“ hat auch jeder erwachsene Weintrinker gegenüber den Weinen die er nicht kennt und vielleicht nur 1x aus Neugier probiert. Ganz, ganz schwieriges Thema – um so besser ist es scheinbar Vergleichsmaßstäbe zu haben um sich darüber zu verständigen und um Erfahrungen zu teilen. Was ich damit meine wie schwer es sein kann Zufriedenheit zu erlangen mit dem eigenen Genusserlebnis, zeigt auch ein Blick auf diese Webseite [http://www.kaffee-netz.de/] Frust und Lust und viel Arbeit bei der Herstellung des Getränkes liegen dort noch viel näher beieinander – insofern für WaL Trost und Prost. :-D

    1. lieber :-D
      „Was ich damit meine wie schwer es sein kann Zufriedenheit zu erlangen mit dem eigenen Genusserlebnis,“ zeigt auch ein Blick in die philosophie:

      „Was ich damit meine wie schwer es sein kann Zufriedenheit zu erlangen mit dem eigenen Genusserlebnis, zeigt auch ein Blick auf diese
      „Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. […] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf. Wenn es ein persönliches Geschick gibt, dann gibt es kein übergeordnetes Schicksal oder zumindest nur eines, das er unheilvoll und verachtenswert findet. Darüber hinaus weiß er sich als Herr seiner Tage. In diesem besonderen Augenblick, in dem der Mensch sich seinem Leben zuwendet, betrachtet Sisyphos, der zu seinem Stein zurückkehrt, die Reihe unzusammenhängender Handlungen, die sein Schicksal werden, als von ihm geschaffen, vereint unter dem Blick seiner Erinnerung und bald besiegelt durch den Tod. Derart überzeugt vom ganz und gar menschlichen Ursprung alles Menschlichen, ein Blinder, der sehen möchte und weiß, daß die Nacht kein Ende hat, ist er immer unterwegs. Noch rollt der Stein. […] Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

      – Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004. S. 159f.
      http://de.m.wikipedia.org/wiki/Der_Mythos_des_o

      1. Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, wer meint sich in Gefangenschaft im Jenseits zu befinden wie der alte Held der Griechen, dem hilft auch ein toter Philosoph aus Frankreich im Diesseits kaum weiter. Aber vielleicht ein Wein aus Frankreich? Diese Vermutung scheint mir tröstlicher zu sein. ;-)

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