Wein am Limit - Hendrik Thoma
20.09.2013 - Folge 135

„Babysitter Tasting“

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Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2010 Sauvignon Blanc & Semillon „The Gathering“
The Lane Vineyard, Adelaide Hills, South Australia
Soulfaktor 5
20-30 Eur
2011 Shiraz „Block 5“
The Lane Vineyard, Adelaide Hills, South Australia
Soulfaktor 4
20-30 Eur

Liebe Walinauten,

wenn die Mama übers Wochenende berufsmäßig nach Sydney fliegt, dann müssen die Männer zum „Babysitten“ ran. Trotzdem bleibt noch Zeit für eine kleine Weinprobe.

Papa Marty Edwards ist ein leidenschaftlicher Weinproduzent, der besonders die großen europäischen Weine mag. Gemeinsam mit seiner Familie betreibt er das 60 Hektar große Weingut „The Lane Vineyard“ in den Adelaide Hills in Südaustralien. Das hört sich nach unserem Standard viel an, ist in „Down Under“ aber eher die Größe für ein Boutiqueweingut. Zumal nur ein Teil der Trauben für den Verkauf unter dem Etikett „The Lane“ genommen wird, kann man den Begriff zulassen. Ein Großteil der Weine verdunstet gleich vor Ort im sehr lässigen Gutsrestaurant, dem ich nach europäischem Standard einen Stern verleihen würde. Es wird dort eine köstliche Küche mit vielen regionalen Produkten serviert, die von Küchenchef James Brinklow elegant interpretiert wird.

Es steckt viel Soul in diesen Weinen und ich wünschte mir, dass wir mehr von solchen feinen Gewächsen in Deutschland kaufen könnten. In der Realität finden wir aus „Down Under“ viele einfache, fruchtige Supermarktweine mit viel Holz, die technisch gemacht wurden und Langeweile im Glas verbreiten. Am anderen Ende des Regenbogens gibt es die berühmten „Iconwines“, die sich in unseren Breitengraden kaum jemand leisten möchte oder kann. Dafür gibt es jetzt reiche Chinesen, die zukünftig wohl der wichtigste Markt für australische Weine werden.

Die Adelaide Hills sind ein phänomenaler Platz, um finessenreiche, aromatische Weine zu keltern. Hier gibt es extrem alte, harte Böden die, wie es der Name sagt, Hügellagen sind, die auf 200-500 Meereshöhe liegen. In der Konsequenz bedeutet das eine frischere, knackigere Säure und eine längere Reifephase, die für mehr Aroma sorgt.

Deswegen hat dieses Gebiet in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen. Hier lassen sich aufregende Weine erzeugen. Besonders die Weißweine haben es mir angetan, allen voran der Chardonnay, der eine geniale Frucht besitzt. Eigentlich bin ich kein großer Fan von Sauvignon Blanc aus Neuseeland. Entweder sind sie krautig-grün und unreif, sogar teilweise wässrig und einige schmecken wie ein Eichenwald. Weine für Mutanten.

Marty und sein Winemaker Michael Scheurs beweisen, dass es geht. Ziemlich gut sogar. Der Sauvignon & Semillon „The Gathering“ duftet elegant wie ein weißer Bordeaux aus dem Pessac-Léognan. Im Aroma finden sich Zitrusfrüchte wie Grapefruit, Guave, weiße Blumen, sehr dezente Holznoten und alles wird von einer wunderbaren Textur begleitet. Wer sagt, dass es in Australien keine Mineralität gibt, der wird mit diesem klasse Wein eines Besseren belehrt.

Der Shiraz „Block 5“ spielt auch nicht in der Liga der „Blockbuster“, sondern hat eine saftig-kernige Frucht. Irgendwie ist er vergleichbar mit einem St. Joseph von der nördlichen Rhône. Im Aroma finden sich Blaubeeren, Veilchen, Pfeffer (hat was von Blaufränkisch). Ein knackig, saftiger Stoff mit strammen, reifen Tanninen, der mich begeistert. Eigentlich sind das 4,5 Soulpunkte und irgendwann führe ich diese Kategorie auch ein. Allein um solchen qualitativen Grenzgängern wie diesem gerecht zu werden.

Es ist schade, dass wir in Deutschland weiterhin so viele Vorurteile gegenüber australischen Weinen haben. Vieles, was sich in deutschen Regalen findet, ist einfach nur langweilig und entspricht nicht dem, was Australien gerade auf die Flasche füllt. Die Schuld daran tragen nicht nur die Winzer, sondern auch auf Sicherheit bedachte Einkäufer großer Ketten, die nur von einer Sache getrieben werden: dem Preis!

Cheers aus „Down Under“,

Kommentare

11 Kommentare zu “Folge 135 : „Babysitter Tasting“

  1. „Dafür gibt es jetzt reiche Chinesen, die zukünftig wohl der wichtigste Markt für australische Weine werden.“

    Vorurteile gegenüber Chinesen gibt es sicher auch viele. Das wird die aber nicht davon abhalten weiterhin wie seit vielen tausenden von Jahren schnell zu lernen und schnell viele gute Geschäfte zu machen. Davon können wir uns hierzulande ruhig mal eine Scheibe abschneiden. ;-)
    [http://www.bild.de/lifestyle/essen-trinken/rotwein/weinkolumne-martin-s-lambeck-32481998.bild.html]

    „Es ist schade, dass wir in Deutschland weiterhin so viele Vorurteile gegenüber australischen Weinen haben.“

    Wirklich? Wie schlecht sind folgende Aldi-Nord Australier denn wirklich?
    Green Bridge, Chardonnay, 2011, Australien, 2,89 Euro
    Green Bridge, Shiraz Cabernet, 2011, Australien, 2,99 Euro
    Hab sie noch nicht probiert, werde mich aber beim nächsten Einkauf mal danach umsehen und berichten.

    1. Servus Rainer, Du solltest schon bedenken, dass Australien die Heimat des „kreativen“ Ausbaus im Keller ist und auch ein sehr industrialisierter Weinanbau betrieben wird.

      1. Hi, Praterralle, hier die Quelle zu meinen zitierten Discounterweinen:
        [http://www.bild.de/lifestyle/essen-trinken/wein/100-weine-supermarkt-32304232.bild.html]

        Den Aldi-NZ-SB Spy Mountain Marlborough Sauvignon Blanc 75cl gibt’s wie die beiden zitierten Australier in der Flasche. Beim NZ-SB ist Importeur/Abfüller: Andreas Oster Weinkellerei KG, 56812 Cochem. Hab davon in 2012 ein paar Flaschen gekauft, zunächst als widerlich ätzend empfunden und ausgespuckt, schien aber an der erwischten Flasche gelegen zu haben, fand die nachgekauften Exemplare trinkbar. Hatte schnell genug davon. Auch der NZ-SB aus dem hiesigen Weinpaket wurde nicht als umwerfend oder gravierend interessanter von mir empfunden. ;-)

        Den von Frau Eich empfohlenen französischen Aldi SB hatte ich schon vor ihrem Tipp gefunden, getrunken und mochte ihn auf Anhieb: Colombard Sauvignon, Comté Tolosan, 2012, Frankreich, 2,79 Euro – den kaufe ich mal wieder. Ein feines Aroma das mich an Pfirsich erinnert, kein Vergleich zu den Aromen von frisch gemähten NZ-Brennnesseln. :-D

        Auch interessant scheinen mir folgende beide Weine (Kaufland/Lidl) zu sein:
        Divino Nordheim, Silvaner, trocken, Nordheimer Vögelein, 2012, Franken, 5,19 Euro
        Eifel-Pfeiffer, Riesling, trocken, 2012, Mosel, 4,99 Euro
        Ob ich die mag weiß ich nicht, noch nicht probiert.

    2. Der australische Aldi-Chardonnay war ausverkauft, schon seit Wochen nicht lieferbar, meinte der Marktleiter zu mir. Hab ihn auch in einer zweiten Filiale nicht gefunden und dann im Netto folgenden Australier gekauft:
      Rosemount, Founder’s Selection, Chardonnay, 2012, 4,99 EUR
      Etikettentext: „A rich and well balanced wine showing fresh peachy tropical fruit and melon characters with a hint of citrus and a creamy mouthfeel.“
      Stimmt genau, dem kann ich nur beipflichten. Angenehm finde ich, dass hier tatsächlich spürbare Säure gegen das von mir ungeliebte cremige Mundgefühl
      gegenhalten konnte. Werde sicher kein Freund von Chardonnay werden, aber der hat mir jetzt wider Erwarten gut geschmeckt.

      Weiteres Netz-Zitat:
      „Man kann für diesen Preis keinen echten Diamanten erwarten, aber immerhin ist es ein echter Svarovski! Typischer australischer Chardonnay mit Glamour und vielen reifen tropischen Früchten.“

  2. Mich wundert die starke Kritik an den Sauvignons aus Neusseland, weil es doch hier ein wunderbares Beispiel mit dem Greywacke in der Vergangenheit gab. Ihn genieße ich seither immer mal wieder
    VG
    STefan

  3. Moin Zusammen,

    vielen Dank für Eure Kommentare. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Niemand hat hier was gegen reiche Chinesen, die in diesen Zeiten für den vinologischen Ekzess sorgen. Es ist ein Phänomen, daß zu der dortigen wirtschaftlichen Entwicklung dazugehört. Es ist der ökonomische Lauf der Dinge. Doch australische Ikonenweine verkaufen sich hierzuland eher schleppend. Das ist eben die andere Wahrheit.

    Wenn alle Sauvignon Blancs aus Neuseeland so schmecken würden wie der Greywacke, wären wir dem Himmel nahe. Leider hat die schnell gewachsene Region Marlborough in den letzten Jahren immer mehr dünne saure Sauvignons abgefüllt. Damit überschwemmen sie die Märkte (z.B. Australien) und den SB aus Neuseeland in den Regalen deutscher Discounter zu finden, sagt schon einiges über den dort vorherschenden Mengendruck aus.

    Schönes Wochenende für Euch.

    Cheers,

    Hendrik

    1. Weil’s offensichtlich keiner gelesen hat, hier das von mir gemeinte Zitat aus dem genannten Link zu Martin S. Lambecks Bericht über Weinverkostung auf Einladung beim chinesischen Botschafter in Berlin:

      „Um ihre Qualitäten zu verbessern, entsandten die Chinesen viele Sommelières nach Europa. In Bordeaux tummelten sich zu Zeiten der Primeur-Verkostungen Legionen kleiner Chinesinnen mit blauen Zähnen und blauschwarzen Mündern, die intensiv Wein verkosteten. Dann kauften die Chinesen relativ unbedeutende Bordeaux-Châteaus in Frankreich. Jetzt haben sie ihren eigenen Châteaus für den am schnellsten wachsenden Weinmarkt der Welt. Übrigens ist China inzwischen der sechstgrößte Weinproduzent der Welt. Die Rebfläche beträgt knapp 550 000 Hektar. Zum Vergleich: Deutschland hat 102 096 Hektar Rebfläche.“

      Das meinte ich mit „schnell zu lernen und schnell viele gute Geschäfte zu machen.“

  4. Ich nehme an, dass es beim SB auch mal zu einem Crash komme wird, ähnlich wie beim Chardonnay. In den 80ern hat jeder nach diesem geschrien und in allen möglichen Weinbaugebieten neu angebaut. Bis ihn einfach niemand mehr sehen konnte. Diese ewigen Stachelbeeren oder Spargelgeschmack. Der SB benötigt die guten Lagen, die damit z.B. Riesling in Deutschland verloren gehen. Für die meisten reichen Chinesen ist Wein ein Statussymbol. Nicht nur australischer, sondern eben auch viele europäische Spitzenprodukte. Auch wird die deutsche Weinkönigin ziemlich oft rüber geschickt werden. Über australische Weine kann ich nur sagen, dass mir die Shiraz manchmal extrem gut schmecken. Vor allem, wenn diese eine leichte Eukalyptusnote haben. Die würde ich aber nie mit einem Franzosen vergleichen. Total eigenständige Weine und unter zwanzig EUR zu bekommen. Hingegen Weine beim Discounter für 2,89 aus Übersee? Flasche oder Tetrapack?

  5. Moin!

    Der Transport einer Flasche Wein im Container kostet wohl so um 1-2 Cent…;-) da lohnt es sich, auch günstiges Zeug weltweit zu verschiffen.
    Ich finde die „Down Underer“ interessant – aber die Guten sind mir schlicht zu teuer.
    Die lieben Chinesen…ich glaube auch, dass es oft eher um das Statussymbol als den Genuss geht. Andererseits finde ich die Blender und Schwätzer hierzulande auch nicht wirklich berauschend…

    Gruß

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