Wein am Limit - Hendrik Thoma
16.06.2012 - Folge 29 / Teil 2

Billy Wagner “Der Weinrebell“ und Tony Aguado “Der Terroirtranslator“

Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2011 Vina Telleria „Old Vine“ Mencia
Raoul Perez, Bierzo
Soulfaktor 3
10-20 Eur
2008 Pago de Valdonejo „Vinas Viejas“
Raoul Perez, Bierzo
Soulfaktor 2
10-20 Eur

In dieser Folge stößt Marco Antonio Aguado, auch genannt der “Terroirtranslator“, zur Diskussion mit Sommelier Billy Wagner von der Berliner „Weinbar Rutz“. Im Gepäck hat er zwei Blindproben, die allerdings nur einen mittelmäßigen Eindruck bei allen Anwesenden hinterlassen. Es handelt sich um Weine aus der autochtonen Rebsorte Mencia. Diese wächst auf den steilen Schieferhängen der galizischen Weinregion Bierzo. Das Bierzo ist eine 4000 Hektar große, sehr warme Region und wird von kühlen atlantischen Luftströmungen beeinflusst. Das hat sie auf den Radarschirm einiger Weintrinker und Produzenten gebracht. Sie gehört zum grünen Gürtel der iberischen Halbinsel und war eine (und ist es teilweise immer noch) vergessene Region, die sich seit einigen Jahren etwas im Aufwind befindet, obwohl es immer noch viele lieblose Kellereiprodukte gibt. Selbst in der Weinbranche ist das Bierzo nur Kennern ein Begriff. Obwohl schon Ende der 90er Jahre so große Weinpersönlichkeiten wie Alvaro Palacios das Bierzo und sein schlummerndes Potenzial erkannten. Diese Weine gehören zu den avantgardistischsten Tropfen Spaniens, in denen sich, wenn sie gut gemacht sind, eine delikate Frische findet.

Wir verkosten zwei Weine von Raoul Perez, der eine Lichtgestalt des Bierzo ist. Allerdings ist der Vina Telleria extrem robust, dafür auch nicht teuer, aber es geht besser. Dieser Wein ist am unteren Ende von 3 Soulpunkten. Enttäuscht waren wir vom Einzellagenwein „Pago de Valdonejo“, der aus uralten Rebstöcken stammt, und von dem es nur 6.000 Flaschen gibt. Er schmeckte irgendwie „international“, „aufgepumpt mit Holz“, wirkte sehr warm und gekocht. Das hätte vieles sein können, nur nicht unbedingt ein authentischer Bierzo. Leider war wenig Soul und Frische im Glas zu finden. Schade, denn von Raoul Perez habe ich schon einige fantastische Bierzos getrunken. Auf jeden Fall solltet Ihr diesen galizischen Exoten weiter im Auge behalten.

Kommentare

28 Kommentare zu “Folge 29 : Billy Wagner “Der Weinrebell“ und Tony Aguado “Der Terroirtranslator“

  1. „Trinkigkeit“ – eine schöne Wortneuschöpfung der Weinszene, aber was soll das eigentlich heißen? Ich interpretiere es so: Es sind die Eigenschaften eines Weines, die mich dazu animieren, mehr davon zu trinken. Welche dies aber sind, ist doch individuell sehr verschieden; „Trinkigkeit“ kann doch also für jeden etwas anderes bedeuten und ist somit zur Beschreibung eines Weines denkbar ungeeignet. Wenn hier z. B. die Auffassung vertreten wird, dass Eigenschaften wie bitter, herb, sauer und tanninig die „Trinkigkeit“ erhöhen, kann ich dem nur eingeschränkt beipflichten.
    Ich finde auch solche außergewöhnlichen und experimentellen Weine abseits des Mainstream toll – z. B. maischevergorenen Weißweine. Finde ich super interessant und probiere ich immer gerne aus. Was mich nur immer eine bisschen stört, ist dieser Dogmatismus und dieses Missionsbedürfnis, mit dem das manchmal vertreten wird. Für mich ist es eine von vielen interessanten Möglichkeiten in der großen bunten Weinwelt.
    Im übrigen vermitteln einem Leute, die auf solche Eigenschaften wie Bitterkeit, Säure und strenge Tannine im Wein abfahren, häufig das Gefühl, als stünden sie an der Spitze der Weintrinkerevolution. Und wer das nicht zu schätzen weiß hat keine Ahnung. Vielleicht haben sie ja aber einfach nur anders geartete Geschmacksrezeptoren oder sind so eine Art Geschmacksmasochisten und können das einfach nur selbstbewusst kompensieren ;-)

    1. Lieber Mathias, ich bin sowas von bei Dir. Diese liberale Enstellung macht den Wein zu dem, was er sein soll: ein ganz individuelles Erlebnis für jeden der sich darauf einlässt und weiß. was Qualität bedeutet. Dank für Deinen Kommentar!

      1. Da muss ich auch zustimmen, Trinkigkeit als Begriff gefällt mir – aber jeder wird was anderes für sich darunter verstehen, und das ist auch gut so. Ich stimme Mathias zu, dass Missionsbedürfnis hier falsch am Platz ist, die Leute die sich hier treffen sind für Tipps empfänglich bilden sich aber alle ihre eigene Meinung und gottseidank sind Geschmäcker und Vorlieben unterschiedlich!

  2. Hallo Hendrik,
    den zweiten Teil fand ich echt gut, da es hier um die zu testenden Weine ging. Professionell und mit gutem Schmäh. Finde auch, daß Trinkigkeit ein sehr individueller Begriff ist und nicht verschrieben werden kann. Hier unterstütze ich den Standpunkt von Mathias.
    Ich bin bei der zu starken Kühlung von Rot- und auch Weißwein immer etwas skeptisch. Oft wird diese benutzt, um Fehltöne zu vestecken und man hat im Restaurant nach zehn Minuten überhaupt keine Lust mehr das Glas zu leeren. Manche Geschmacksnuancen erschließen sich bei etwas weniger Kühlung wesentlich besser.
    Übrigens gibt es in Österreich weniger klassische Bordeaux-Cuvees als man glaubt.Den meisten die ich kenne ist auch eine heimische Rebsorte beigefügt (Zweigelt,Blaufränkisch,St.Laurent) Das Burgenland ist glaube ich auch schon sehr in Österreich und international etabliert. Im experimentellen Aufbruch befinden sich andere Regionen, die man in Deutschland überhaupt nicht kennt. Schade eigentlich

    1. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass im Gastgewerbe, Weine geziehlt gekühlt angeboten werden um Fehltöne zu verstecken?!? Um Fehltöne zu erkennen, muss man ein sehr guter und erfahrener Degustator sein, ausser den üblichen wie Kork, Bökser usw. Ich bvorzuge auf alle Fälle, lieber gekühlte Weine als zu warm serviert, was leider immer noch an vielen Orten der Fall ist.

      1. Das Leben ist nicht schwarz und weiß, sondern grau. Habe schon in Sternelokalen schlechte Weine auf diese Methode präsentiert bekommen. Weißwein kühl ja, aber nahe gefrierpunkt nein. Bei Rotwein hat man früher fruchtige Weine wie Beaujolais mit Kellertemperatur serviert. Crus aus Bordeaux und Bourgogne aber nicht.

  3. Bisher best of – meine persönlichen Lieblingsvideos mit 2 lockeren sympatischen Jungs auch wenn Marco hier leider etwas zu kurz kommt.

    Das ist ne RUnde da wäre ich gern dabei gewesen.

  4. Hi there,

    das Thema Trinkigkeit beschäftigt mich schon ein paar Jahre. Trinkigkeit hat nichts mit Süffigkeit zu tun.

    Die Weine müssen keinesfalls nur Maischevergoren, mit wenig Schwefel, reduktiv beim Rotwein oder Oxidativ beim Weißwein ausgebaut sein. Gerade einem Riesling Kabinett von der Mosel stehen die 35 Gramm einfach besser als die heutzutage üblichen 65 Gramm. Die starke Botrytis bei einigen (vielen) Rieslingen ist nach ein paar Jahren auch nicht gerade förderlich für einen Trinkfluss. Rotweine mit zu hoher Extraktion, Holzgeschmack und viel Alkohol bleiben mir einfach im Hals stecken.

    Hier ist so wie mit einer Frau. Am Anfang ist alles toll und man hat eine rosarote Brille auf. Man übersieht gerne den einen oder anderen Fehler. Aber mit etwas „Erfahrung“ besseren Verständnis für die Frau – schaut man auf einmal genauer hin und es ist doch nicht alles so rosig. So ist es beim Wein auch, nur dass hier einige „schlechte/aber auch gute“ Flaschen ausgetrunken werden müssen, bis man es selber begreift. Und das ist das Problem. Jeder Wein schmeckt jedem Menschen allerdings zu unterschiedlichen Momenten in seinem Weintrinkerleben. Mein Moment ist woanders, als der von dir. Das musste ich auch lernen.

    Was heißt“… starker Kühlung von Rotwein?“ Wir servieren, bzw. versuchen immer die Rotweine aus 14-16 Grad zu servieren. Die Stilistik, die wir in Rotwein mögen profitiert davon sehr. Die Säure kommt raus und hat damit einen schönen Counterpart zu Frucht und dem Tannin. Serviert man diese Weine zu warm, dann wirken Sie müde, süß und alkoholisch.

    Ich gehe nicht konform mit Herrn Vaynerchzuk. Die Temperatur ist ein sehr entscheidender Punkt, ob und wie einer schmeckt. Das richtige, bzw. ein gutes Weinglas ist genauso wichtig.

    Auf euer Wohl.
    Billy

    1. Hallo Billy,
      geht Dir das immer so mit den Frauen…?;-) Das hört sich etwas verallgemeinernd an. Ich denke, es gibt auch Weine, die halten, was sie versprechen und auch welche, die erst unscheinbar und einfach wirken und ihre Qualitäten erst im Laufe der Zeit entfalten. Hier könnte man(n) jetzt auch wieder das Bild mit den „Frauen“ bemühen, erscheint mir aber doch ein bisschen chauvinistisch – mit Männern ist es sicherlich genauso. Aber wenn man mal so durch die Kommentare schaut: hier scheinen ohnehin hauptsächlich Männer zu schreiben.

  5. Das mit dem servieren mit 14-16 grad ist ja schön, aber serviert ihr dann mit Kühler? Denn so eine fl. Wein trinkt man ja nicht in 15 min und die temperatur passt sich dann ja doch recht schnell der Zimmertemperatur an.

      1. Kühlmanschette ist gerade bei den Temperaturen zur Zeit ein einfaches und praktisches Hilfsmittel, sonst wäre es im Sommer schwierig Rotwein auf die passende Temperatur zu bekommen. Bei 25 Grad Zimmertemperatur wirds ohne Manschette schwierig.

    1. Lieber Gobenn71, der Wein kommt auf der richtigen Temperatur und wir legen den Wein je nach Trinkgeschwindigkeit fuer ein paar Minuten ins Eis. Wir probieren, damit klappt es ganz gut.
      Gruss Billy

  6. Super Video und zwei super Gäste ! Rotwein nicht zu warm eher zu kühl trinken mache ich genau so. Es gibt nichts schlimmeres wie warmen Rotwein der dadurch breit und alkoholisch wird. Bei der Trinkigkeit eines Weines bin ich auch bei Billy,das ist sehr wichtig.

  7. Manschette nutze ich auch und so n rundes plasteteil keine Ahnung wie das heißt
    Da Haelt sich de Temperatur recht lange

  8. Ich stelle immer wieder fest, dass man auch als sehr interessierter und leidlich informierter Weinfan nicht frei von Moden ist. Bei Rieslingen kenne ich mich vergleichsweise am besten aus und beobachte diese Entwicklung seit langem. Den harmonischen Chartaweinen mit Süße-Säure-Balance (und Zuckerwerte am Rande von halbtrocken) folgte die Erhöhung des Alkohols und einer eher reduzierten Säure. Die primäre Frucht stand im Vordergrund, die kühle Vergärung mit Reinzuchthefen erzeugte diese Stilrichtung über die man heute die Nase rümpft, die aber den Rieslingaufschwung einleitete, weil trockener Riesling auch bei anderen Weintrinkern überhaupt erst Akzeptanz gewann. Seit einigen Jahren wendet man sich davon ab ich vollziehe das durchaus nach. Salzigkeit, grüne Reflexe, bitternd und schon etwas länger Mineralität sind die Schlagworte. Man muss sich klar machen, dass wenige Meinungsmacher (die es durchaus braucht) diese Entwicklungen einläuten und entsprechend erzeugt Weine nach hoch bewerten. Bezeichnenderweise geschieht dies immer in Abgrenzung vom vermeintlichen oder tatsächlichen Mainstream. Häufig hat es auch etwas dogmatisches. An diesen Sendungen schätze ich sehr die (Welt-)Offenheit und Liberalität und doch ist auch hier immer wieder von Marmeladenweinen die Rede. Die gibt es natürlich genauso wie sattmachende Rieslinge oder überholzte Chardonnays, manchmal erscheint mir die Abgrenzung aber ein wenig als ein Schießen auf Pappkameraden. Jetzt also ist die Trinkigkeit ein neues wichtiges Kriterium und auch das vollziehe ich in meinen Trinkgewohnheiten nach. Man sollte nicht so tun als sei dies neu, weil erfahrene Weintrinker, die weniger der öffentlichen Weinmeinung folgten aber einfach einen guten Geschmack hatten, das schon immer schätzten und es mitunter Bekömmlichkeit oder „da kann man ein Glas mehr trinken“ nannten. Man fragt sich dann noch, wie solche trinkigen Weine bewertet werden sollten, weil sie eben besonders anlassgezogen gefallen. Dies einige (leider etwas längere) Gedanken zu der wirklich tollen Sendung

  9. Noch eine Bemerkung zu dem Schiefer-Wein. Hier gilt besonders, dass das nicht jeden Tag schmeckt. Manchmal faszinieren mich die Weine, mitunter empfinde ich sie als aggressiv-säuerlich. Zudem rieche ich hier immer nassen Rost aber das ist sicherlich höchst subjektiv.

Menu