Wein am Limit - Hendrik Thoma
28.06.2012 - Folge 32

Herr Wu und sein besonderes Gespür für Riesling

Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
1995 Riesling Auslese, Erdener Prälat
Jos. Christoffel jr. (Christoffel-Prüm), Mosel
Soulfaktor 5
10-20 Eur

Das Restaurant „Hot Spot“ in Berlin ist ein kleiner Geheimtipp unter essbegeisterten Weinfreaks. Hier treffen sich die Gastronomen, Köche und Sommeliers der Stadt nach an ihren freien Tagen oder nach Feierabend, um etwas zu entspannen. Der wichtigste Grund, warum sie hierher kommen, liegt sicherlich am Gastgeber des Hotspots, Jianhua Wu, der von allen respektvoll Herr Wu genannt wird.

Das Geschäft liegt in einer unaufregenden Seitenstraße vom Ku‘damm. Selbst dem versierten Kennerauge würde entgehen, dass sich hier ein gastronomisches Kleinod befindet. Nichts, aber auch gar nichts, deutet darauf hin, dass hier die Post auf dem Teller und im Glas abgehen soll. Eigentlich sieht es hier so aus wie in vielen chinesischen Restaurants in Deutschland. Vielleicht sogar noch etwas schmuckloser. Doch genau das macht den „Hot Spot“ so interessant. Eigentlich hat man hat keine großen Erwartungen, wenn man hier aufschlägt. Denn unter der scheinbar trüben Oberfläche befindet sich ein leidenschaftliches, authentisches Konzept. Eine „Twilight Zone“ für den, der sich darauf einlässt.

Das Essen hat nichts mit der germanisierten, langweiligen Variante der chinesischen Küche zu tun. Herrlich intensiv, würzig und auch scharf kann man hier zu sehr zivilen Preisen großartig schlemmen. Viele, die hierher kommen, bemerken die hohe Qualität, die hier gefahren wird, erst gar nicht. Das gibt dem Ganzen einen recht skurrilen Rahmen. Hier mischen sich Foodies, Weinfreaks und Normalos zu einer komplexen Großstadtcuvée.

Die Weinkarte des „Hot Spot“ ist besser sortiert als die von so manch hochdekoriertem Sternelokal. Die Preise sind für die meist deutschen Rieslinge so zivilisiert wie sie sich ein Weinfreund wünscht. Ohne Frage, hier betreibt ein Kenner und Könner sein Handwerk. Herr Wu hat sich seine Leidenschaft mühsam ertrunken und ist vor allem dem deutschen Riesling erlegen. Er ist dieser eigenartigen Krankheit, dem Weinvirus, schon vor einigen Jahren erlegen. Das Faszinierende daran ist, dass er den Wein ohne kulturellen Hintergrund entdeckt hat. Er hat sich dem Thema ganz pragmatisch und ohne Vorbehalte genähert. Sein Augenmerk hat er ganz auf die Qualität gelegt.

Deswegen hat er auch keine Angst vor altmodischen Etiketten oder restsüßen Weinen, wie das in großen Teilen der Bevölkerung noch immer sehr verbreitet ist. Herrn Wu ist das egal. Er sucht die Wahrhaftigkeit im Glas. Ohne Vorbehalt!

Seine große Entdeckung sind die Weine vom Miniweingut Jos. Christoffel Jr. an der Mosel. Ich merke, wie seine sonst ruhige fernöstliche Zurückhaltung einem Begeisterungssturm weicht, sobald er auf das Thema angesprochen wird.

Dieses alteingesessene Weingut wird unter Kennern und Nerds sehr geschätzt. Vor allem gibt es bei Jos. Christoffel Jr. klassische Moselrieslinge zu zivilen Preisen aus alten Jahrgängen und besten Lagen. Herr Wu hat diese Weine besonders für seine Küche entdeckt. Er liebt die milde natürliche Süße, die fast trocken schmeckt, die mineralische Würze des Schieferbodens und die subtilen Aromen eines reifen Rieslings. Diese Auslese ist ein genialer Vertreter ihrer Herkunft, die demjenigen, der genug Offenheit mitbringt, ein fantastisches Erlebnis offenbart.

Irgendwie verhält sich mit diesem Wein genauso wie mit Herrn Wus Hot Spot. Hier sieht, fühlt und schmeckt nur derjenige, der das auch kann und will.

Kommentare

21 Kommentare zu “Folge 32 :Herr Wu und sein besonderes Gespür für Riesling

  1. Selten so einen geerdeten Wirt gesehen. Wenige Worte aber extrem auf den Punkt. Du hast in deinem Kommentar erwähnt daß anscheinend viele Leute „Angst“ vor alten Etiketten haben. Mir geht’s im Moment genau umgekehrt. Hat vermutlich was mit meinem Background als Grafiker zu tun. Neumodische Etiketten geben sich gerne sehr minimalistisch. Das Problem dabei ist, daß guter Minimalismus (der auf den Punkt passt) genau soviel Leidenschaft in der Erstellung braucht wie guter Wein, d.h. schlecht gestaltete minimale Etiketten verraten sich oft sehr schnell als billig bzw. lieblos gemacht… und in vielen Fällen (aus meiner Erfahrung) steckt dahinter dann auch entsprechender Stoff..

  2. Interessant wie Du an solche Adressen kommst. Aber selbst Christian Lohse ist von Herrn Wus Küche und Weinkarte begeistert. Das Hot-Spot war mal in einer TV-Reportage kurz zu sehen.Falls ich demnächst mal in Berlin bin werde ich auf jeden Fall hingehen.

    1. Das Hot Spot macht wirklich seinem Namen alle Ehre, war schon 3mal dort und immer saugut ! man braucht nur so lange sich für den Wein zu entscheiden, eine tolle Auswahl an deutschen Rieslingen, die nunmal, gerade mit ein wenig Restsüsse, eine sehr gute Wahl zu asiatisch gewürzten Speisen abgeben. Habe auch diesen Bericht mit Christian Lohse und dem Hotspot gesehen und bin von Dresden sofort hin !

  3. Klasse-Typ der Herr Wu. Konfuzius hätte es nicht besser sagen können: wenn ein Wein schmeckt dann schmeckt er, wir brauchen keinen Schnickschnack! Beim nächsten Besuch in Berlin geht’s zu Herrn Wu zum Essen!

  4. In der Schweiz sind die Weinpreise in Restaurants so übertrieben hoch, dass man meistens gerne darauf verzichtet. In anderen Ländern wie Frankreich sieht das schon positiver aus. Ich finde den Ansatz wirklich gut, moderate Preise anzusetzen denn das motiviert auch mal einen guten Wein dazu zu trinken, weiter so!

  5. Das HotSpot ist auch auf meiner Liste für den nächsten Berlin-Besuch.
    Hendrik, die Soulpunkte finde ich immer besser. Ich war nie Fan von 100/100-Bewertungen und Co., aber eine Einteilung einfach in Klassen, welcher Wein wie berührt, finde ich super. Was Seele hat, kommt ins Glas, alles andere muss nicht. Unabhängig von Preis und Renommee. Das macht den Reiz von WaL aus. Weiter so.

  6. Ist auch meine Erfahrung, daß zu pikant gewürzten Speisen kaum ein Wein besser paßt, als ein leichter Riesling mit Restsüße. Denn: Die Süße gleicht die Schärfe aus …
    Und was die Weinpreise in zahlreichen Restaurants angeht, habe ich es immer wieder erlebt, daß bei der Kalkulation die Winzerpreise vervier- bis verfünffacht werden. Neulich sah ich mich gezwungen, einen recht schlichten fränkischen Silvaner für 50.- Euro pro Flasche zu bestellen. Weil alles andere noch teurer war. Ich bin überzeugt, daß der Wein beim Winzer nicht mehr als 10.- Euro gekostet hatte …

  7. Hot Spot mitten in Berlin und doch ruhig, ein chinesisches Restaurant was sich in Speisen wohltuend von den meisten Asia-Läden abhebt, eine Weinkarte die großartig ist, da sie mit wunderbaren deutschen Weißweinen (vorwiegend Rieslingen) aufwartet und nicht zuletzt ein Wirt der Gastgeber ist und mit seinen freundlichen, liebenswerten Mitarbeiterinnen für eine angenehme Atmosphäre sorgt – was will ich mehr. Drum fahre ich gern wieder hin, mit dem Fahrrad…

  8. Sehr,sehr sympatischer Mensch dieser Herr Wu und er hat alles mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht. Wenn ich mal in Berlin bin,werde ich dem Hot Spot auf jeden Fall einen Besuch abstatten.

  9. Tolle Sendung, habe selbst schon bei Herrn Wu gegessen. Innen nicht ganz so schön aber auf der Straße ist es wirklich schön. Die Küche ist spitze! Die Küche ist nicht verfälscht und die deutschen Weine passen klasse zu den teils sehr scharfen Speisen. Oft wird Schärfe eingesetzt um minderwertige Qualität zu überdecken, hier wird sie als Raffinesse eingesetzt! Ich komme def. wieder!

  10. Toller Beitrag Hendrik mit einem sympathischen Herrn Wu! Ich hatte Herrn Wu´s Restaurant bereits auf der Agenda, da in einem Forum von seinem Restaurant die Rede war. Es waren durch die Bank Empfehlungen der User zu lesen. Ein Besuch ist beim nächsten „Berlin-Urlaub“ fest eingeplant.
    Um auf deine Frage zurückzukommen: unter anderem auch wegen der fairen Preise für Wein. Wer sich selbst mit Wein auskennt, in ein Restaurant geht und dann die Weinkarte aufschlägt wird z. T. von den Preisen erschlagen. Dies schlägt sich negativ auf meinen Besuch nieder, wenn ich sehe, dass eine Flasche Wein aus dem 10-20 Euro Bereich im Restaurant schließlich teurer ist als das Essen für 2 Personen….

  11. Leider war das Essen bei unserem Essen sehr gewöhnlich und im Vergleich zu wirklich authentischen Chinarestaurants lieblos bereitet. Der Service war sehr unfreundlich, da hilft auch keine happig kalkulierte Weinkarte. Unberechtigter Hype um eine mittelmäßige Küche. Herr Wu war leider nicht zu sehen und die Damen vom Service kannten so gar nicht mit Wein aus. Lieber meiden!

  12. Sowas von schade ich war letzte Woche ein paar Tage in Berlin und haben um die Ecke gepennt
    Haette ich das mal vorher gewusst

  13. Hi, Hendrik! Bei dem sehr reifen Riesling des Herrn Wu und der Frage ob „Gestank“
    den Genuss fördert war ich mir eigentlich sicher, dass sich da Widerspruch regt – leider nein! Alle schwiegen und ignorierten diese interessante Frage und keiner mochte sich mit Dir über den Unterschied zwischen „Tankstelle“ (Petrolnote) und „Bäckerei“ (frische Apfel-Tarte) streiten – erstaunlich. ;o)
    Für mich wäre ein Aufkleber „Achtung Petrolnote“ auf der jeweiligen Flasche ein nützlicher Hinweis um nicht in den Genuss der „Tankstelle“ zu kommen. Aber was ist eigentlich „Firnis“? Ist das etwas anderes als „Petrolnote“? Oder ist es nur ein Unterschied der Intensität ein und desselben Beigeschmacks?

    Aha, da steht es ja beschrieben:
    http://www.worldsoffood.de/gastro-und-gourmet/glossar/Weinlexikon-1/F/
    http://www.worldsoffood.de/gastro-und-gourmet/glossar/Weinlexikon-1/P/

    Viele Grüße, Rainer

  14. Klasse Sendung – macht doch noch mehr zu Essen und Wein! Wein genießt man doch noch am besten zum Essen und da die richtige Wahl zu treffen fällt mir meistens schwer.

  15. Ein toller Beitrag, Hendrik!
    Warum?
    Es ist nicht nur eine Ehrenrettung der chinesischen Gastronomie, sondern zeigt auch, dass sich einer wirklich Mühe gibt. So wie die im Htotspot angebotenen Weine eine Geschichte zu erzählen haben, hat der Wirt auch eine authentische Geschichte zum Thema Wein!
    Danke, du machst das gut.

  16. Ist es denn nun eigentlich ein Würzgarten (wie im Video benannt) oder ein Prälat (wie im Text)? Das sind ja doch recht unterschiedliche Lagen …

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