Wein am Limit - Hendrik Thoma
29.07.2012 - Folge 40

Der Tanz auf dem Vulkan

Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2009 Etna Bianco
Tenute delle Terre Nere, Sizilien
Soulfaktor 4
10-20 Eur
2010 Guardiola
Viticoltore Passopisciaro, Sizilien
Soulfaktor 5
10-20 Eur

Es ist eine von Europas alten neuen Regionen: Etna im Osten der Insel Sizilien.

Diese spiegelt den fortwährenden Kampf des Menschen, der Natur ein paar Quadratmeter fruchtbaren Boden abzuringen, in krasser Realität wieder. Die hohen Weinberge des Etna gehören zu den gefährlichsten der Welt. Wer hier Weinbau betreibt, muss ständig damit rechnen, alles wieder zu verlieren. Der Etna ist Europas aktivster Vulkan und kann jederzeit ausbrechen.

Wahrscheinlich haben sich deswegen so viele Charakterköpfe hier niedergelassen, um in den Contradas, den Schluchten an den Ausläufern des Vulkankegels, mit ihrem gelben oder schwarzen Lavagestein, Weinstöcke zu pflanzen.

Auf den terrassierten Weinbergen wachsen alte Rebsorten wie der weiße Carricante oder der rote Nerello Mascalese oder die etwas leichtere Nerello Cappuccio. Autochtone Trauben, die es nur hier gibt und die Großartiges leisten können. Teilweise sind sie extrem alt und wurzelecht, weil die Reblaus in diesem Boden nicht vorankommt.

Viele sehen in diesen Weinen die burgundischsten und feinsten Weine Italiens. Es sind nicht mehr die robusten, rauen, teilweise oxidierten Weine, die früher hierher kamen, sondern zumindest teilweise Weine, die mit großer Präzision und Kenntnis gekeltert werden.

Der Umstand, dass man hier kaum spritzen muss und ohne große Umstände biologisch arbeiten kann, hat viele Winzer aus anderen Weinregionen hierher gelockt. Mittlerweile gibt es über 40 Erzeuger, die in den Contradas ihr Werk verrichten.

Einer davon ist Marc de Grazia, ein Italiener mit amerikanischen Wurzeln, der sein Weingut die Tenuta delle Terre Negre, am nördlichen Hang des Etnas hat und 2002 seinen ersten Jahrgang auf den Markt gebracht hat. Der Etna Bianco stammt aus einem über 60 Jahre alten Weinberg, der mit Carricante, Catarrato, Grecianico und Inzolia bepflanzt ist und auf 700 Meter Meereshöhe liegt. Ein authentischer, unaufgeregter (nicht unaufregender!) Wein, der nur im Stahltank ausgebaut wurde. Er hat eine intensiv goldene Farbe und grünliche Reflexe mit einem Bukett, das etwas an Akazienhonig und weiße Blumen erinnert. Am Gaumen ist er recht cremig, hat aber eine herbe mineralische Frische. Wunderbar ausgewogen und dicht, ohne fett zu sein. Er hat einen tollen Trinkfluss und ist ein klasse Wein zu Vitello Tonnato oder Büffelmozzarella.

Ganz großes Kino ist der Guardiola von Andrea Franchetti. Er hat lange in den USA als Weinimporteur gearbeitet, betreibt ein Restaurant in Rom und ist der Schöpfer der Tenuta di Trinoro in der Toskana. Ein charakterstarker, eigenwilliger Mann, der das Weingut Passopisciaro anfänglich mit den beiden dänischen Weinlegenden Peter Sissek aus dem Ribera del Duero (Pingus) und dessen Onkel Peter Vinding-Diers (Due Normanni) gestartet hatte.

Wahrscheinlich war es zuviel Kompetenz an einer Stelle. Heute ist Franchetti alleiniger Chef auf Passopisciaro. Er war schon damals sehr angetan von den gebotenen Möglichkeiten, die der Etna versprach.

Guardiola ist ein Chardonnay, der im Barrique und im Stahltank ausgebaut wird. Beides Umstände, die nicht viel mit diesem Wein zu tun haben, d. h. die für seine eigentliche Wahrnehmung unwichtig sind. Er passt nicht in das übliche Geschmacksbild, was sich viele jetzt denken. Es ist nicht noch ein weiteres langweiliges Holzmonster, das nach der bekannten, erfolgversprechenden Formel xyz ausgebaut wurde.

Dieser mächtige Weißwein hat eine Substanz und eine zupackende Mineralität, wie ich sie nur von allerbesten Burgundern und Rieslingen kenne. Er hat einen ausgeprägten Zitrusduft, aber vor allem diese Wahnsinns-Mineralität und eine super straffe Struktur. Ein Vulkanwein im wahrsten Sinne des Wortes. Nahe bei 6 Soulpunkten.

Für mich ist das einer der besten, authentischsten Weißweine Italiens, ohne eine Tradition zu haben. Gemacht aus einer französischen Rebsorte in einem alten mystischen Weinanbaugebiet. Es zeigt sich wieder mal, was es braucht, um im Leben Großes zu schaffen: Vision!

Kommentare

37 Kommentare zu “Folge 40 : Der Tanz auf dem Vulkan

  1. schönes Video für einen verregneten Sonntag – aber was mich echt immer nervt ist das immer und überall alle weine ständig mit französischen Weinen (Burgunder, Bordeaux…) verglichen werden

    ich persönlich lege null wert auf burgund und kaufe da nix da gibts für mich spannenderes wo man den namen burgund nicht mitbezahlt

    1. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die angesprochenen Rebsorten von dort kommen und damit logischerweise auch als Maßstab gelten. Und für Chardonnay kann ich sagen, dass ich die besten, die ich getrunken habe, eigentlich immer aus der Bourgogne kamen.

  2. Kaum aus dem Urlaub zurück, schon hab ich das Vergnügen mir einem neuen Video. Sehr spannend und lehrreich (wie die meisten Deiner Videos) für mich und zudem absolut animierend. Bei dem Guardiola kommt Deine Begeisterung für den Wein so erfrischend ungefiltert rüber, dass ich schauen werde, ob ich ihn im Netz finde.

    Und @Gilli: Ich gebe Dir Recht, dass man in Burgund leider immer die Region (bisweilen über die Maßen) mitbezahlt. Allerdings sind die großen Burgunder (für mich) schon das Maß aller Dinge, was Chardonnay betrifft, insofern ist ein Vergleich dch legitim. Umso schöner ist es doch, wenn Hendrik uns etwas offensichtlich vergleichbar Begeisterndes zu erfreulicheren Preisen vorstellt.

  3. …das Video ist ja nicht nur für dich gemacht ;)
    Burgund oder Bordeaux stehen ja immer auch für sehr viel und bieten, da bekannte Regionen, auch immer gute Orientierungsmöglichkeiten und tolle Weine. Du musst sie ja nicht kaufen – aber ein Vergleich erleichtert meines Erachtens die Einordnung. Wenn bei einem Chardonnay von einem burgundischen Stil gesprochen wird, weiß man, so man weiße Burgunder getrunken hat, in welche Richtung das geht – und auch, ob man diesen Stil mag oder nicht. In diesem Sinn empfinde ich eine solche Beschreibung als sehr guten Orientierungspunkt.

    Generell eine sehr schöne Folge – schon wieder dieser Effekt, direkt mal zu gucken, wo man die Weine denn bestellen kann… ;)

  4. Ein Kritikpunkt. Ich beobachte das jetzt schon seit 40 (!) Sendungen und denke mir, na ja, irgendwann werden sie es ja schon merken. Aber nein. Das zieht ihr unbeirrt durch.

    Wenn Hendrik das Etikett in die Kamera hält, vergeht eine Ewigkeit bis die Kamera das Bild scharf stellt. Ist das Bild scharf, wird die Flasche kurzerhand zurückgeozgen.
    Ddas grenzt jetzt schon an Penetranz. Also, bitte, bitte, bitte, mit einem Sahneklecks und Schokosträusel auf dem ‚bitte‘ drauf. Bitte!!!! Macht das endlich besser. Ich halte das nicht mehr aus.

    1. Hi Alenj, das ist doch ‚Homemade‘ mit Sahne und Schokostäusel. Möchte keine Profis mehr für mein Format, die meinen Fernsehen im Internet machen zu müssen. Wichtig ist: Inhalt, Inhalt, Inhalt. Die Weine sind der Oberhammer und die Infos dazu sind mir wichtig. Trotzdem, ich gelobe Besserung, zumindest mache ich den Versuch. Cheers, Hendrik

  5. hi alenj,
    wie wäre es denn wenn du den video einfach für einen moment anhälst, dann hast du genug zeit das etikett zu lesen !!!!!!!
    Gruß Michael

    1. Die noch gut gefüllte Flasche am ausgestreckten Arm vor die Kameralinse zu halten ist verständlicherweise eine recht anstrengende Verrenkung. Wie wäre es denn wenn unterhalb der Kamera eine leere Weinkiste aus Holz in passender Höhe steht auf die Hendrik einfach für einen Moment die Flasche abstellt? Die Etiketten sitzen manchmal auch etwas höher oder tiefer aber auch das lässt sich sicher mit einem untergelegten Buch oder Brett ausgleichen.

  6. http://www.youtube.com/watch?v=UF8uR6Z6KLc
    Was es mit „Visionen“ auf sich hat, hat meiner Meinung nach Helmut Schmidt in seiner kurzen, knappen Art treffend beschrieben. ;) Für mich ist es eher das „connecting the dots“ von dem Steve Jobs in seiner legendären Rede an der Stanford Universität spricht.
    Nicht, dass der gute Steve was gegen chemisch induzierte Sinneswahrnehmungen hatte, ganz im Gegenteil, ihm ging es darum, dass Mensch seinem Sinn für Ästhetik und Stil folgt und aus gesammelten Erfahrungen die richtigen Schlüsse zieht. Das meinte er mit „connecting the dots“.

    Den 2010 Guardiola Viticoltore Passopisciaro, Sizilen fand ich so spannend, dass ich ihn gleich bestellen wollte, sollte 25,- EUR kosten – doch dann die „Überraschung“ kommt per „Eilbote“ direkt aus Sizilien, Versandkosten 40,. EUR – bisschen heftig, oder?

    Hier was zum Trost für alle Weinfans als Ausblick auf die wahrscheinlich ebenfalls nicht erhältlichen Rotweine im zweiten Teil:
    http://www.youtube.com/watch?v=HoO3XGkykSU&feature=player_embedded
    Alles nicht so eng sehen! ;)

    Viele Grüße, Rainer

    1. Lieber Rainer, ich habe gerade die Info bekommen, daß die wenigen Restmengenin D ganz schnell ausverkauft waren. Es gibt eine Adresse im Netz, die einen älteren Jahrgang führt. Der neue Jahrgang kommt im September. Ich würde sagen, vorreservieren. Cheers, Hendrik

      1. Lieber Hendrik, alles schön und gut und Danke für den Tipp. Auch dieser Händler ist ausverkauft, auch der ältere Weinjahrgang ist weg. Der Händler meinte er sei der erste gewesen der den Wein nach Deutschland geholt habe. Nun danke es ihm der Erzeuger nicht, Mengen werden zugeteilt und er bekommt immer weniger. Aus dem Grund sei auch keine Reservierung für 2013 mehr möglich, vielleicht verzichtet er in 2013 ganz darauf etwas von diesem Wein einzukaufen. :( Da haben wir den Salat – dead on arrival – Dein Tipp war mangels Verfügbarkeit des Weines deutschlandweit, von vorneherein ein Schuss in den Ofen! Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter! Wann kommen die tollen Roten? ;)

  7. macht hoffnung, sehr anregende sendung, suche nach authentizität, auf jeden fall lebendige wertungen, wobei man den charakter desjenigen vermittelt bekommt der wertet, und das mit seinen eigenen interessen abgleichen kann, ich habe deine beaujolais empfehlung bestellt und bin sehr neugierig.
    am etna war ich nie aber in der nähe in Ferla unterhalb von catania, do zenner macht dort den „terra delle sirene“ aus nero d avola, der boden dort gehört schon zur afrikanischen platte. grossartiger wein .

  8. Hallo, Hendrik,
    schaun mer mal – auch vom sizilianischen Händler kam ein Angebot, das ich unmöglich ablehnen kann:
    „Ich biete Ihnen einen Rabatt zu kränkeln Beförderungsentgelte von 20%, wenn Sie 24 Flaschen zu kaufen.“ – wer will die anderen 23 Flaschen haben? Und vor allem mit mir „kränkeln Beförderungsentgelte“ teilen? ;)

    Spaß bei Seite – WaL ist eine tolle Sache und ich habe anhand Deiner bisherigen Tipps statt 60,- EUR in den weißen Sizilianer zu stecken nun 5 rote + 1 weißen Franzosen bestellt:

    Coteaux du Languedoc Mas Clavel
    “Copa Santa“ Domaine Pierre Clavel
    Coteaux du Languedoc Pic Saint Loup
    Beaujolais „L’Ancien – Le Buissy“ Domaine Terres Dorees – Jean Paul Brun
    Beaujolais Blanc Chardonnay Domaine Terres Dorees – Jean Paul Brun
    Beaujolais „Cote de Brouilly“ Domaine Terres Dorees – Jean Paul Brun

    Damit bin ich „getröstet“ und kostentechnisch bei Trost beblieben. ;)

    Danke + Grüße, Rainer

  9. Wieder einmal ein sehr interessantes und gelungenes Video.
    Viel mehr als der sicherlich sehr gute Guardiola interessiert mich aber der Etna Bianco ’09.
    Da überzeugt mich alleine die unfassbar ausdrucksstarke Farbe, die einfach Lust macht diesen Wein zu probieren. Kann mir jemand eine geeignete Adresse empfehlen, wo ich diesen Wein ohne lästige IVA inclusiva bestellen kann? Danke schon im Voraus!

  10. Tenuta delle Terre Nere, Etna bianco 2009 – bitte mal als Suchbegriff bei Google eintippen, dann müsstest Du bei einer netten Italienerin landen die nur innerhalb von Deutschland versendet. :)

  11. Salut Hendrik,
    bisher hat mein sizilianisches Weinwissen praktisch nur aus Planeta bestanden. Ist dringend ausbauwürdig. Danke für die Tipps. Werde versuchen etwas von dem Stoff zu bekommen.
    Ich hätte noch eine kleine Anregung zur Sendung. Wäre es nicht interessant mal für eine Sendung vier Wochen vorher die Weine ( Weine, die eher einfach zu haben sind )bekannt zu geben, damit man sich diese am Markt besorgen kann und dann ein interaktives Winetasting zu machen?
    Santé, Ralf

  12. hi hendrik

    komm grad von einer verkostung und hab ne frage zum thema spucken. geht’s dabei wirklich nur darum nicht besoffen zu werden oder steckt noch was anderes dahinter?

    passt zwar nicht zum thema, beschäftigt mich aber schon länger… mir kommts manchmal so vor als ob die experten spucken „müssen“ um diverse aromen deuten zu können…

    wär dir sehr dankbar für eine kurze aufklärung

    sg

    patrick

  13. Grossartig dass Du Weine vorstellst, die unter extremen Bedingungen wachsen, so ist der Name deines Blocks auch Programm! Es ist fröhlich anzusehen, wie Chardonnay mit seinem momentan noch schlechtem Image, immer wieder eine wunderbarte Wertschätzung erfährt, dank Trüffelnasen wie Hendrik, der die vielschichtige Komplexität und Typizität dieser Weine so wunderbar entspannt und transparent vermittelt! Da möchte man den beschriebenen Wein gleich im Glas mitverkosten und Dir lieber Hendrik mit einem kräftigen Cheers zuprosten!
    Weiter so „Mensch aus Gütersloh“

  14. Hallo Hendrik,

    ich möchte diese Folge (endlich) mal dazu nutzen, um ein paar Gedanken zu teilen.
    In den letzten ein bis zwei Jahren habe ich mich vermehrt mit den Themen gutes Essen und Trinken beschäftigt. Themen die mich mich zunehmend mehr beschäftigen und für mich in gewisser Weise sehr inspirierend sind.
    Nun hatte ich immer die Vorstellung von einem gewissen Snobismus, z.B. in der ‚gehobenen Gastronomie‘, auf den ich keinen Bock habe. Ob diese Vorstellung sich nun mit der Realität deckt oder mehr in meinem Kopf stattfindet, ist letztendlich egal…
    Denn hier trittst du auf den Plan, du schaffst es, locker und intelligent Spass am Wein zu vermitteln und meinen (noch geringen) Horizont zu erweitern. Danke dafür, mehr davon!

    Zu deiner Frage: wir waren letztes Jahr auf Sizilien, in der Gegend von Messina.
    Den Etna haben wir meist aus der Entfernung bewundert, was seiner ‚mystischen‘ Wirkung aber kein Abbruch tut… Bei einem Ausflug sind wir in Linguaglossa gelandet (liegt auf halbem Weg nach Passopisciaro, verdammt!!!), nur um dort den besten Espresso des ganzen Urlaubs zu trinken. Sizilien ist toll!

    Keep on keepin‘ on!

  15. Moin,
    wir fahren schon seit vielen Jahren immer wieder nach Sizilien und es ist immer ein Erlebnis, ich habe dort viele tolle Weine entdecken können, was ich besonders schätze ist, das in der Gastronomie auf Sizilien die Flaschenweine meist sehr fair kalkuliert sind, außerdem gibt es immer mehr tolle kleine Weinbars mit interessanten Angeboten, oft sind auf der Karte natürlich die bekannten großen Erzeuger, aber es gibt immer eine gute Auswahl an kleineren unbekannteren Weingüter. Tolles Video, hat mir als Sizilien Fan natürlich besonders gut gefallen und ich freue mich schon auf Teil 2.
    tanti saluti!

Menu