Wein am Limit - Hendrik Thoma
05.09.2012 - Folge 49

Ziemlich verhopft!

Heute habe ich exotische Gäste bei Wein am Limit. Zumindest auf den ersten Blick. Ich verkoste Craft Beer mit Axel Ohm und Thomas Kunst (und nicht Klaus wie im Video), Diplom Bier Sommelier und Braumeister von der Ratsherrn Brauerei in den Schanzenhöfen, Hamburg, die Januar 2013 ihre Pforten öffnen wird.

Es wird Zeit mit den existierenden Klischees aufzuräumen. Das erste: die deutschen Bierbrauer sind, auch wenn das hierzulande niemand so richtig gerne hört, stark ins Hintertreffen geraten. Besonders wenn es um Qualität und Individualität geht. Die großen Marken mit ihrem unsäglich mittelmäßig schmeckenden, sterilen Bier (auch wenn es nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wird) haben den preisgetriebenen deutschen Markt fest mit ihren Raffinerien im Griff. Das hat in den letzten Jahren zu einem forcierten Sterben von kleinen Haus- oder Familienbrauereien geführt. Die letzte Bastion ist wahrscheinlich Franken, wo unsere heimische Bierkultur noch traditionell in größerem Umfang betrieben wird.

Gerade in den USA, aber auch Norditalien, Dänemark, Frankreich und England usw. sind dafür kleine Microbreweries mit phantastischen, handwerklich hergestellten Biersorten entstanden. In Deutschland stehen wir mit dieser Bewegung noch ganz am Anfang. Aber auch bei uns wächst das Interesse. Insbesondere die sozialen Netzwerke spielen eine starke Rolle und geben wichtige Impulse, dass Biertrinken durchaus nicht plump sein muß.

Das zweite Klischee ist das Bild vom klassischen lallenden Biertrinker mit Plautze, welches es zumindest bei den Craft Beer Fans zu eliminieren gilt. Diese Gemeinde ist am Genuß und guter Qualität interessiert, nicht an viel und mehr. Hier sehe ich auch die direkte Verbindung zum Wein. Viele Weinleute, vor allem die Entspannten, haben keine Berührungsängste mit den Bierfans. Ich glaube, alle diese Menschen eint die Sehnsucht und der Spaß an guten Produkten. Für mich gehört zu einer Weinprobe häufig ein gutes Bier, ob nun davor oder danach. Es entspannt den Gaumen und macht die Geschmackspapillen wieder frei.

Ich habe drei bemerkenswerte Produkte in dieser Folge. Das erste ist das untergärige Rotbier, das aus 4 verschiedenen Spezialmalzen besteht. Es hat ein kräftiges Röstaroma, welches mich an Karamell, Honig, und Pumpernickel erinnert. Die erfrischende Zitrusnote stammt von einer Hopfensorte namens Saphir. Ein kraftvolles, grundsolides Bier, dass gut zu einem schweren Essen passt. Es ist nicht schwer und bitter, auch wenn mir persönlich noch etwas Frische und Mittelgaumen fehlt.

Mein absoluter Liebling aus der Ratsherrn Kollektion ist das Pale Ale, das vor allem von 5 Hopfensorten geprägt ist. Das Pale Ale hat eine wunderschöne goldgelbe Farbe und eine superfeine Perlage. Es hat einen vielschichtigen Duft von Ingwer und Veilchen, aber auch sehr viel Zitronenzeste im Aroma, das von der amerikanischen Hopfensorte ‚Cascade’ stammt. Das Pale Ale ist für mich der ‚Montrachet’ unter der Bieren.

Der Champagner unter den Bieren –steht dem Champagner auch im Preis in nichts nach- ist dafür das Sorachi Ace von der legendären Brooklyn Brewery. Ein Saisonbier oder auch ‚Farmhouse Style Ale’ das mit der japanischen Hopfensorte ‚Sorachi Ace’ gebraut wurde und eine Nachgärung mit Champagnerhefe auf der Flasche durchgemacht hat. Ich liebe die geniale Aufmachung, die wahnsinnig feine Perlung und den dekadent frischen Geschmack, der vor allem mit Grapefruit und Zitrusfrüchte um die Ecke kommt. Absolute Weltklasse!

Ich sage Danke an Thomas und Axel für dieses unkomplizierte Gespräch zwischen Bier- und Weinleuten. Hamburg ist auf jeden Fall um eine Attraktion ab Januar 2013 reicher. Wir sehen uns in den Schanzenhöfen.

Bitte schaut euch noch die folgenden Links an. Cheers, Euer Hendrik

Kommentare

11 Kommentare zu “Folge 49 : Ziemlich verhopft!

  1. Herr Thoma, Sie sprechen mir aus der Seele! Wir haben uns vom Bier-Eldorado zu einem kulturlosen Industrie-Bier-Land entwickelt. Angesichts unserer Bier-Tradition, für die wir weltweit bekannt sind, eine echte Schande. Die Amerikaner und – wie ich in meinem letzten Urlaub leider feststellen musste – auch die Italiener (jenseits von Nastro Azzuro) sind uns bei Bier-Innovationen mittlerweile weit voraus. Wohlgemerkt in einer Vinothek! am Lago d´Iseo habe ich tolle handwerklich gebraute Biere – wohl nicht nach dem Reinheitsgebot – who cares – getrunken. Leider geht bei uns der Trend zu möglichst geschmacksarmen und gefälligen Wasser-Bieren (…Gold..etc.). Löbliche Ausnahme ist tatsächlich die fränkische Schweiz mit ihren Mikrobrauereien, die noch handwerklich gebraute und individuelle Biere herstellen. Dort kann man sehen, wie es – ich möchte fast sagen trotz Reinheitsgebot – möglich sein kann, mit den gleichen Zutaten eine große Geschmacksvielfalt zu erzeugen.

  2. Bier möchte man auch auch trinken weil man durst hat! Diese Biere sind hierfür nicht geeignet,(finde ich) habe selbst in dem USA gelebt, sehr viele Microbreweries besucht. Sehr interessant aber ein erfrischendes Bier war sehr selten dabei. Warum trinken Weintrinker auch mal Bier? Weil man nicht so schnell voll wird!

  3. Eine meiner Lieblingsfolgen bisher. Wirklich toll!
    Ich habe mich in Kanada durch einige Microbreweries getrunken und muß sagen, dass die wirklich tolle Sachen hervorbringen. Habe dort z.B. das besten Hefeweizen meines Lebens getrunken – wer hät’s gedacht.
    Aber auch mir ist das aufgefallen, was August sagte. Es sind wenige Biere dabei, mit denen man an einem heißen Sommertag einfach mal mit 2-3 großen Schlücken seinen Durst löschen kann ohne das Gefühl zu haben gerade ein ganzes Laib Brot gegessen zu haben.
    Auch bei der Brooklyn Brewery war ich schon und habe mich dort durchs Sortiment getrunken. Das Lager ist absolut nicht mein Fall. Viel zu stark von Koriander geprägt und ich bekomme den Bogen hin zu meinem Bierverständnis nicht geschlagen. Dafür waren deren Hefeweizen (finde es leider nirgendwo mehr) und das Pilsener sehr empfehlenswert.

  4. D’accord. Das Sorachi Ace ist wirklich ein Hammer, auch wenn die 20 schon sehr schmerzen, die sie einem dafür ausm Kreuz leiern. Ob die fortschreitende Gentryfication der Schanze jetzt eine Bereicherung ist, sei dahingestellt. Schöne Sendung und Merci für die guten Links. Blue Velvet! (Leider gehört Pabst mittlerweile auch zu SABMiller)

  5. Danke für diese Folge. Das deutsche Einheitsbier das von jeder Marke gleich schmeckt, aus schlechten Hopfen gebraut und jeder Menge „natürlicher“ Zusätze schmeckt mir nicht mehr. Ich flüchte, nein mein Gaumen flüchtet immer mehr in ausländische und exotische Biere, um endlich mehr Geschmack zu erleben. Ich hätte nie gedacht, das es gute Biere fernab vom deutschen Reinheitskult gibt, aber genau das ist die Wahrheit. Bei den Weltmeisterschaften der Biere schaffen es immer weniger deutsche Biere in die Top Ten und wenn, dann sind es kleine Brauereien mit neuen Ideen und Konzepten. Auch wenn das hier ein Wein Blog ist, ab und zu etwas mehr hopfiges wäre schön.

  6. Chapeau Hendrik,tolles Thema und Video. Wer schon einmal Bier von einer Micro-Brauerei getrunken hat,der weiß wo der Hammer hängt.Das Bier von den Hamburger Jungs werde ich auf jeden Fall probieren,Hamburg ist schließlich meine Lieblingsstadt in Deutschland !

  7. cool n neues Brauhaus in HH sehr gut
    bin gespannt was da noch so kommt hab das auch schon gemerkt das es im internet/social media
    ne neue Bewegung richtung bier gibt

    erst wars wein, whisky zigarren rum jetzt bier
    ick freu mir

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