Wein am Limit - Hendrik Thoma
16.08.2015 - Folge 227 / Teil 1

Wollen wir nicht alle ein wenig naturbelassen?

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Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2013 Neuburger Freyheit
Weingut Gernot & Heike Heinrich, Pannonien
Soulfaktor 5.5
10-20 Eur
2014 Neuburger Freyheit
Weingut Gernot & Heike Heinrich, Landwein Weinland
Soulfaktor 5
10-20 Eur
2005 Grüner Veltliner "Minimal"
Ernst Triebaumer, Landwein Weinland
Soulfaktor 6
30- 40 Eur

Benjamin Mayr arbeitet beim Wiener Weinhändler del Fabro und gehört zu meinen passionierten Weinfreunden in Österreich. Wir hatten diese Folge schon seit einiger Zeit geplant, ohne zu wissen was wir genau machen wollten. Nun hat er mich vor ein paar Tagen darauf gebracht. Das Thema naturbelassene Weine wird bei unserem Nachbarn immer wichtiger, während es hierzulande die meisten Weintrinker kalt lässt. Deswegen habe ich Ben überredet Weine von den bekanntesten und besten Winzern Österreichs mitzubringen die sich mit Thema aus voller Überzeugung auseinandersetzen.

Um es richtig zu stellen, es gibt auch in Austria genügend Vorbehalte gegenüber dieser Entwicklung. Der Unterschied ist, daß sich einige der renommiertesten Betriebe den Naturweinen schon seit einigen Jahren angenommen haben. Hierzulande gibt es eine Menge vehemente Kritiker, die Ihr Gift verspritzen, sollten sie nur darauf angesprochen werden. Meistens aus Unkenntnis und Angst vor dem Neuen, oder weil sie ihr etabliertes Geschäftsmodell bedroht sehen. Die Verhinderer sitzen überall fett und behäbig im System.

Zur Klarstellung: es gibt genau soviel schlecht gemachte, langweilige konventionelle Weine, wie es auf der anderen Seite Kompostweine mit fauligen Aromen auf Seiten der Naturweinwinzer gibt. Bei jeder Entwicklung gibt es immer Mitläufer, aber die Guten werden sich wie die Spreu vom Weizen trennen. Einige haben es längst getan und andere arbeiten bereits seit Jahrzehnten (z.B. Leroy, Emilio Pepe) so, ohne ihre Philosophie je an die große Glocke zu gehängt zu haben.

Ich kann mich auf jeden Fall, nach einigen Anlaufschwierigkeiten für diese dreidimensional duftenden Weine begeistern. Grundlage ist ein präziser Ausbau und keine Fehlnoten. Ich finde das Spektrum und die angenehme Trinkigkeit dieser Weine sensationell. Sie sind gehaltvoll, schmecken trotzdem leicht und verfügen über ein vielschichtiges Bukett. Auch in der Kombination mit Speisen können sie grandios sein. Der Verbraucher kennt diesen Geschmack nicht und deswegen wird es noch einige Zeit dauern bis er sich etabliert.

Weiterhin gibt es Definitionsschwierigkeiten für „Naturweine“, aber den Ball sollte m.E. nach flach gehalten werden. Die vielen -teilweise dogmatisch geführten- Debatten sind auf alle nicht hilfreich und wie häufig sind viele gute Dinge zerredet worden, bevor sie überhaupt eine Chance hatten. Entscheiden wird am Ende einer: Der Verbraucher und die, die sich ändern können oder es auch wollen.

Ich werde mich auch künftig aus den Debatten raushalten und meinen Geschmack entscheiden lassen. Auf jeden Fall bin ich von den besten Weinen dieser neuen Kategorie überzeugt, genauso wie ich konventionelle Weine schätzen. Sie sind eine Bereicherung und Inspiration für die Branche.

Der Neuburger wächst rund um Wien und ist ein autochthones Gewächs. Sie ist nicht besonders aromatisch, kann sich aber sehr gut entwickeln. Mich erinnert sie an Burgunder, insbesondere Chablis. Auf jeden Fall ist der Neuburger eine unterschätze Sorte mit Potential. Mit dem Burgenländer Gernot Heinrich hat die Szene einen der bekanntesten Winzer Österreichs als ihren Fürsprecher gewonnen. Mit den Jahren ist er vom konventionellen zum biodynamischen Weinbau gewechselt. Nun hat er diesen auf den Stielen und Stengeln vergorenen Weißwein, unfiltriert und ohne zusätzlichen Schwefel abgefüllt (in 2014 etwas SO2). Gereift wurde er im großen Eichenfass. Während der noch etwas jugendliche 2014er noch sehr kompakt daherkommt, zeigt sich der 2013er in voller Pracht. Fruchtig-herbe Aromen wie Grapefruit und Apfel, weiße Blüten, Mineralien und Gewürze finden sich in diesem komplexen Stoff. Die goldene Farbe hat noch reichlich grünliche Reflexe und die Viskosität ist trotz der 12,5 Volt cremig angenehm und wird dabei unterstützt von einer feinen Säure. Alles in allem ein herrliches Erlebnis, das neue Geschmackshorizonte eröffnet. Der 2014er ist etwas leichter, eleganter und es finden sich Aromen von Schießpulver und Hefe in der Nase. Vielleicht ist er im ganzen mehr konventionell in seinem Auftreten. Er erinnert auf alle Fälle etwas mehr an gelernte Geschmacksmuster. Ich würde sagen, warten wir es ab. Auf jeden Fall gibt es jahrgangsbedingte Unterschiede und das ist gut so.

Beim 2005er Grünen Veltliner „Minimal“ von den Altmeistern, der Familie Triebaumer aus Rust am Neusiedlersee gekeltert, war ich hin und weg. Dieses Weingut gehört zu den traditionsreichen Betrieben Österreich und ihre Weine sind legendär. Dieser minimal geschwefelte Wein reifte 7 Jahre im Fass und zwei weitere auf der Flasche. Das Aroma von Zitrusfrüchten, Quittengelee und Kräutern wird geschmacklich getragen von einem intensiv-salzig-mineralischem Geschmack der nicht enden will. Für mich ist das ein perfekter Wein, der ganz genau das widerspiegelt was Naturweine können: sie sind individuell und nicht dafür gemacht worden dem Markt, oder einem Konsumentenmuster zu gefallen. Hier wird in Zeiten geschmacklicher Gleichschaltung vom Kunden etwas verlangt das Seltenheitswert hat: Sich einzulassen. Dieser „Maximalstoff“ ist eine angenehme und gekonnt interpretierte Ausnahme zur Regel. Mehr davon!

Kommentare

3 Kommentare zu “Folge 227 – Wollen wir nicht alle ein wenig naturbelassen?

  1. Moin Hendrik,
    spannender Beitrag. Ich bin ja nun auch Fan unkonventioneller Weine (z.B. Capcanes VB1 und VB2, Meierer WTF (2014 sehr extrem ausgelegt!, bin gespannt was draus wird), da diese etwas rüber bringen, was Spaß macht, was ab vom Mainstream ist und die Weinscene belebt.

    Würde mich freuen, wenn das Thema noch von weiteren experimentierfreudiegn Winzern aufgenommen wird.

    Der Mainstream ist langweilig…

    Beste Grüße,
    Michael

  2. Hallo Hendrik,
    ihr sprecht mir aus der Seele, was die naturbelassenen Weine betrifft. Der Aufruf zu mehr Mut bei den deutschen Winzern halte ich für nabsolut richtig, Es gibt allerdings doch auch schon sehr gute Ansätze in Deutschland. Ich erinnere an Jochen Beurer asu edm Remstal, an Peter Jalob Kühn, Sven Leiner, von Winning, Eva Clüsserath, Krämer aus Auernhofen in Franken in des würden mir noch sehr viel mehr einfallen. Also der Aufruf an Dich, Hendrik, mehr in dieser Hinsicht ais Deutschland zu präsentieren..

    Grüße

    Werner

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