Wein am Limit - Hendrik Thoma
15.11.2015 - Folge 239

Wie und warum karaffiere ich einen Wein?

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Weine im Video

Name des Weines Soulfaktor Preisspanne
2014 Negramoll
Soulfaktor 3.5
10-20 EurDetails

Der Unterschied zwischen karaffieren und dekantieren ist nicht jedem Weintrinker klar. Zwar verfolgen beide Techniken das Ziel dem Wein Sauerstoff zuzuführen, aber mit unterschiedlicher Rangehensweise. Bei dekantieren wird der Trüb, in Form des Depots, vom Rest der Flüssigkeit vor einer Lichtquelle getrennt. Das Depot entsteht bei alten oder gereiften Weinen während der Lagerung und schmeckt häufig bitter oder metallisch. Abgesehen davon sehen die Partikel im Glas meistens unansehnlich aus. Deswegen werden viele alte Weine dekantiert. Über den Sinn dieser Maßnahme lässt sich trefflich diskutieren, denn so mancher Senior braucht gar nicht soviel Sauerstoff und erleidet einen vorzeitigen „Geruchsinfarkt“ bevor er konsumiert wird. Es ist eine dieser alten Traditionen die nichts taugt, oder wie so oft, falsch interpretiert und weitergegeben wurde.

Beim karaffieren geht es vor allem darum einem jungen Wein viel Sauerstoff zuzuführen. Die Grundidee ist die im Wein gebundenen Aromen schneller zu lösen (oder zu verflüchtigen) und die Gerbstoffe weicher schmecken zu lassen. Das macht vor allem Sinn bei Gewächsen mit eigenwilligen Böckseraromen (z.B. von der Hefe oder Schwefel), oder langem Fassausbau bei dem die Weine mit Sauerstoff in Berührung kamen. Es sind vor allem die mineralischen Herkunftsweine, denen Sauerstoff und auch Temperatur gut tun. In der Karaffe werden sie auch etwas schneller warm und das fördert den Prozess der Freisetzung des Buketts. Deswegen tendiere ich dazu die Weine vor dem karaffieren immer etwas kühler zu einzufüllen und auch einmal kräftig zu schütteln, damit die gewollte Oxydation beginnen kann. Diese Methode hat sich bei Weissweinen häufiger bewährt als bei Rotweinen. Kaltvergorene fruchtige Weine brauchen diese Behandlung nicht, aber aus Showgründen (oder Einbildung) werden trotzdem viele dieser „Bonbonwässerchen“ karaffiert.

Der heutige Rotwein stammt von der Kanareninsel „La Palma“ und wurde zu 40% auf den Stielen und Stengeln vergoren. Das 1885 gegründete Weingut Matias i Torres verfügt über teilweise sehr alte Parzellen die auf vulkanischem Boden in großer Höhe bis zu 1400 Meter wachsen. Diese extremen Bedingungen aus Wind, Sonne und Gestein produzieren puristische Weine mit viel Persönlichkeit. Die im Schnitt 40 Jahre alten wurzelechten Negramoll Reben werden nicht bewässert und ergeben einen würzigen Wein, der im Duft an schwarzen Pfeffer, Nelke und rote Früchte erinnert. Am Gaumen ist er nicht konzentriert oder süss, sondern fest, trocken, saftig, säurebetont und mit einem herben wildem Charme ausgestattet. Dieser Wein hält es ohne weiteres bis zu einer Woche! in der Karaffe aus und entwickelt immer wieder neue Facetten im Duft. Victoria Torres, die in der 5. Generation das Weingut leitet, bewirtschaftet die Weinberge naturnah und arbeitet extrem handwerklich. Pro Jahr werden nur 15.000-18.000 kleine Meisterwerke abgefüllt.

Von der Negramoll Reben gibt es nur weltweit ca. 3000 Hektar vor allem in Spanien und Portugal. Auf der Insel Madeira und den Kanaren hat die „Schwarze“ bereits eine lange Tradition und kann von „easy drinking“ bis zu „seriös-komplex“, wie in diesem Fall, auf die Flaschen gefüllt werden. 7000 Flaschen

Kommentare

5 Kommentare zu “Folge 239 – Wie und warum karaffiere ich einen Wein?

  1. Interessante Folge. Fliege in Kürze nach Teneriffa. Mal sehen, was es dort „weintechnisch“ zu entdecken gibt. Der Negramoll hört sich sehr spannend an. Ist definitiv auf meinem Merkzettel.

  2. Ich karaffiere eigentlich eher selten, mir macht es mehr Spaß, die Entwicklung eines Weins im Glas zu beobachten. Nur bei solchen Weinen, bei denen die ersten Schlucke ohne viel Sauerstoff eben noch gar kein Genuß sind, weil er z.B. noch arg pelzig ist, wird das Teil aus dem Schrank geholt…

  3. Moinsen zusammen,
    was mich etwas verwundert ist die Tatsache, das Du den Wein mal ganz kräftig durchschüttelst…
    Widerspricht ja dem, das man Wein nach Transport z.B. Ruhe gönnen soll und der Wein „beruhigt“ besser schmeckt als nach einem längeren Autotransport oder mal frisch aus dem Weingeschäftsregal direkt ins Glas…

    Wie ist der Sachverhalt denn korrekt?

    Beste Grüße,
    Michael

    1. Hi Michael, das eine ist das was in den Büchern steht, das andere, was ich beobachtet habe. Wie im Video erwähnt muss man den Wein nach karaffieren und schütteln erst einmal wieder zur Ruhe kommen lassen. Viele Grüße, Hendrik

  4. Schöne Folge. Entscheidend ist eben nicht nur WAS man trinkt, sondern auch WIE man trinkt … ohne dabei zu verkrampfen und ins (Pseudo-)Wissenschaftliche abzudriften. Korrekt vermitteltes Basiswissen, leicht umzusetzen für mehr Spass im Glas. Gerne mehr davon! PS: Karaffe mit Wein schwenken mache ich auch meistens (mein Gedanke bisher dabei: wenn ich den Wein in der Karaffe schwenke, ist das letztlich wie das Schwenken von Wein in einem überdimensioniertes Glas … und somit müsste auch der gleiche Effekt eintreten wie bei eben diesem). Nun weiß ich: Nichts falsch gemacht. Thx!

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