Liebe Walinauten,
mögt Ihr lieber klaren oder naturtrüben Apfelsaft? Für uns ist das kein Dogma, aber die Tendenz geht Richtung trüb. Es ist erstaunlich, letzte Woche haben wir eine Verkostung mit Weinliebhabern gehabt und alle hatten ganz unbefangen viel Spaß im Glas. Es sind meistens Fachleute oder alteingesessene Instanzen, die sich an dieser Machart stören. Es gibt keinen Grund dazu, außer dass man eventuell mehr Arbeit und Aufklärung zu leisten hat. Aber hey, hey, hey… das ist doch eigentlich die Aufgabe der Profis.
Was ist anders an ungefiltert?
In erster Linie ist es die Farbe und die Bedenken vor den (scheinbar unsauberen) Trubteilchen. Der Kunde hat über Jahrzehnte gelernt, dass Wein blitzblank und klar sein muss. Genau wie das Fleisch in der Vitrine dunkelrot und fettfrei leuchten soll, oder keine Erde am Gemüse sein darf, weil man das eben so kennt.
Natürlich, wer seine Weine unfiltriert abfüllt, riskiert die ein oder andere Reklamation. Eigentlich müsste das Thema längst vom Tisch sein, denn die meisten berühmten Weine sind unfiltriert.
Die Frage ist eher welche Menge an Trubteilchen ist zumutbar, also wie viel lässt der Winzer zu, bzw. wie stark filtriert er. Es besteht immer ein kleines Risiko, dass der Wein einen Hefe-Böckser bekommt. Dann lieber ein glattes und sauberes Geruchsbild in der Flasche abliefern? Ist das zuviel Sicherheitsdenken? Selbst ein Böckser verfliegt relativ schnell an der Luft und nach dem ersten manchmal etwas verhaltenem Eindruck zeigt sich ein großartiges Geschmackserlebnis. Um das zu erleben braucht es wiederum Geduld, Zeit, Gefühl und vor allem Offenheit. Wir sollten einfach experimentierfreudiger und offener sein, wenn es um Geschmack geht. Uns wären auf alle Fälle so viele tolle Weinerlebnisse durch die Lappen gegangen. Spannende Weine können nicht Mainstream sein, sondern sind individuell und haben Charakter. Zuviel Hochglanz und „Bling Bling“ machen uns misstrauisch. Ecken und Kanten dagegen haben noch niemandem geschadet.
Welchen Vorteil haben ungefilterte Weine?
Es ist Geschmackssache, wie alles im Leben. Die Hefe schützt den Wein vor Oxydation, sie ist wie Nahrung für den Alkohol (in der Fachsprache heißt das Autolyse), aber sie wirkt sich ebenso auf Geschmack und Mundgefühl aus. Diese Tatsache kennt man auch vom Champagner, der erst nach dem degorgieren (dem trennen vom Hefetrub) seine Geburtsstunde erlebt.
Also, unfiltrierter Wein ist eine Spur geschmeidiger, weicher und cremiger. Hefe und Trub ergeben leicht nussige Noten und manchmal sogar einen briocheartigen Duft. Nach unseren Erfahrung haben unfiltrierte Stöffchen deutlich mehr Komplexität, Lebendigkeit und Tiefe. Sie sind nicht der Weisheit letzter Schluss, aber sie sind ein Teil einer sich erneuernden Weinwelt, obwohl sie gar keine Neuheit sind. Sie sind ganz selbstverständlich ein Bestandteil einer langen Weintradition und gehören getrunken, geschmeckt und erlebt.
Auf die Vielfalt und mehr Spaß im Glas und sei er gefiltert oder ungefiltert,
Euer Hendrik
Die Weine aus dem Video
![]() | 2019 THEODORA Gut Oggau, Neusiedlersee | 21.50 € | Details | |
![]() | 2016 AUENER RIESLING UNFILTRIERT Marcus Hees, Nahe | 14.90 € | Details | |
![]() | 2018 Alvarinho "Nature Pur Terroir" Quinta de Soalheiro, Vinho Verde | 18.90 € | Details | |
![]() | 2017 GWIN EVAN "AU GRÉ DU VIN" UNFILTERED Gaec Du Haut Planty, Loire | 14.90 € | Details | |
![]() | 2019 COS PÉS Bodegas y Viñedos Forjas del Salnés, Rías Baixas | 20.90 € | Details |
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