DEUTSCHLAND VS. KANADA - Riesling – Rebsorten-Spezial – 5 MINUTEN FÜR WEIN AM LIMIT

Liebe Walinauten,

heute geht es um eine der besten, vielseitigsten, interessantesten Rebsorten der Welt. Es geht um den Riesling.

Alle verbinden mit dem Riesling den europäischen Kontinent und primär Deutschland, aber kaum jemand weiß, dass es Weltklasse-Riesling jenseits des Großen Teichs gibt. Klar ist Deutschland der Vorreiter, wenn es um die Anbaufläche dieser alten Rebsorte geht. Aber wenn wir etwas bei Wein am Limit gelernt haben, dass ein Blick über den Tellerrand lohnt und in Übersee einige Überraschungen warten. So auch in einem Land, welches eher mit Eishockey, Ahornbäumen und Bibern assoziiert wird, als mit Weinbau. Uns verschlägt es in dieser Folge nach Kanada, zu einem der begnadetsten Winzer Nordamerikas: François Morissette von der Niagara-Peninsula. Er keltert auf der Landzunge zwischen dem Ontario- und dem Eriesee einen grandiosen Riesling namens Black Ball. Den Namen trägt er, weil seine naturbelassene Stilistik den Behörden nicht gefiel und ihm das schwarze „Vintners Quality Alliance Label“ verweigert wurde.

Was ist das Besondere an Riesling?

In Deutschland ist der Riesling der unangefochtene Rebsorten-King und wächst auf insgesamt fast 25.000 ha. In den weltweiten Anbaucharts ist er allerdings nicht in den Top 10. Der Grund: in Sachen Klima ist er eine echte Diva. Als spätreifende Sorte braucht Riesling eine ordentliche Dosis Sonne. Wird’s ihm zu heiß, zickt er rum und wird breit und plump. Passt alles, liefert er amtlichen Stoff ab: nämlich Weine von unvergleichlicher Komplexität und Finesse. Deshalb gilt er auch international als eine der hochwertigsten Sorten für Weißweine überhaupt.

Deutschland ist die Heimat des Rieslings, das Rheintal sein Ursprung. Dort wurde er bereits im 15. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Einer seiner Eltern ist eine vermutlich im Weinberg spontan entstandene Kreuzung aus Traminer und einer rheinischen Wildrebe. Der zweite Elternteil Heunisch brachte die späte Reife und die typische Säure als Sorteneigenschaften mit ein. Anfangs wurde Riesling nicht besonders geschätzt und nur im Gemischten Satz (also zusammen mit anderen Rebsorten) angebaut. Im 18. Jahrhundert begann dann der sortenreine Siegeszug zur Krone des deutschen Weinbaus. Ende des 19. Jahrhunderts waren Rieslinge von Rhein, Pfalz und Mosel international sehr begehrt und so teuer wie die besten Premier Crus und Grand Crus aus Frankreich.

Bei der Art des Ausbaus zeigt sich Riesling so flexibel wie eine Kunstturnerin. (die rumänische Kunstturnerin Nadia Comăneci) Er kann enorm viel Frucht und Extrakt entwickeln. Auch mit höherem Restzucker sorgt seine kräftige Säure dafür, dass er nicht plump wird. So gut süß-sauer kann sonst nur noch das China-Restaurant um die Ecke – eine andere Rebsorte sicher nicht. Auch edelsüß oder trocken spielt der Riesling in der Champions League.

Wie schmeckt Riesling aus Kanada und Deutschland?

Kein einfacher Vergleich. Spielen doch Faktoren wie Ausbau, Klima und Terroir eine essenzielle Rolle dabei, wie sich der Wein nachher im Glas präsentiert. Somit sind beide Vertreter eigenständig. Deutschland ist die Wiege des Rieslings und das merkt und schmeckt man. Die Lagen wurden schon vor Jahrhunderten identifiziert und Stephan Attmann weiß ganz genau, wie man die Klaviatur spielt. Trotzdem ist es sehr spannend zu sehen, was außerhalb bzw. in der Peripherie des Riesling-Kosmos passiert und entsteht. François Morissette zeigt uns eindrucksvoll, was in einem Land alles möglich ist, in dem der Riesling nur eine untergeordnete Rolle spielt und sich den Gegebenheiten anpassen muss. Die Aromatik eint dann beide wieder.

Der 2018er PW 500 ist ein wildes Teil, aromatisch, eigenwillig und charaktervoll mit schönem Schmelz. Eine saftige, kühle Frische, wie man es aus der Pfälzer Lage Kalkofen kennt. Ein beeindruckender, imposanter Wein, der zwar offensiv in seiner Aromatik und im Geschmack ist, aber was kann.

Der 2015er Black Ball leuchtet wie glitzernder Honig; zart und doch strahlend vor Intensität. Fruchtig und zugleich unbeirrbar wie ein Laserstrahl. Sehr präzise und kompakt. Unter der Oberfläche dieses spannungsgeladenen Rieslings rumort es. Voller Mineralität, Nuancen von Jasmin, Honig, Nüssen sowie Zitrusaromen. Die Typizität ist kühl und dementsprechend ist dieser Riesling voller Ecken und Kanten, die ihm sicher ein langes Leben bescheren werden.

Am Ende sind beide Weine perfekte Speisenbegleiter und in ihrer eigenen Art und Weise Weltklasse-Vertreter ihres Faches. Der trockene Riesling ist wieder auf dem Vormarsch und es ist großartig zu sehen, dass Länder wie die USA, Australien oder in unserem Fall Kanada nicht nur kopieren wollen, sondern den Riesling entsprechend würdigen und ihn authentisch und ortsbezogen ausbauen.

Auf mehr Riesling-Spaß im Glas,

Hendrik, Bianca und das WaL-Team