Roberto Henriquez und die New York Times - Naturwein aus Chile - 5 MINUTEN FÜR WEIN AM LIMIT

Liebe Walinauten,

als ich neulich die New York Times las (und ja, das tue ich manchmal), bin ich über einen spannenden Artikel von Eric Asimov gestoßen. „12 Natural Wines die man unbedingt mal getrunken haben sollte.“ Mit dabei und mit dem besten Preis: Der 2020er Rivera del Notro von Roberto Henriquez aus Chile.

Nun kann der ein oder andere sagen, dass solche Listen ja wie Sand am Meer existieren. Stimmt. Die sind aber nicht von Eric Asimov verfasst und in der NYT veröffentlicht wurden. Eric ist ein geschätzter Journalist und einer der einflussreichsten Weinredakteure der USA, vor allem wegen seines erfrischenden, treffsicheren Schreibstils. Und das ein chilenischer Wein in einer Natural Wine Liste auftaucht, sieht man auch nicht alle Tage. Viele verbinden mit Chile fruchtige, wuchtige moderne Kellereiware (neben ein paar Dutzend Icon Weinen von internationaler Prägung) die von globalen Playern an Discounter vertrieben werden. Seelenlos, gesichtslos und austauschbar kontrollieren sie 90% des Ausstoßes. Auf die Mehrzahl der Weine mag das auch zutreffen… Roberto Henriquez geht seinen Weg. Er hat sich dem Viño Pipeño verschrieben und keltert filigrane, naturbelassene und komplexe Stoffe, die sich von den bekannten Geschmacksmustern stark unterscheiden .

Was genau ist eigentlich Viño Pipeño?

Wenn Exil-Chilenen das Wort „Viño Pipeño“ hören, dann bekommen sie Gänsehaut und Fernweh. Kein Wein ist mehr mit der Geschichte Chiles verbunden als dieser, kein anderer Wein repräsentiert diese besser. Erst in den 90er Jahren begann eine zaghafte Renaissance, nachdem ein paar Franzosen, wie der legendäre Marcel Lapierre aus dem Beaujolais, die qualitativen Möglichkeiten in diesem „Bauernstoff“ erkannten.

Immer rasanter avanciert der „Viño Pipeño“ zum Kultgetränk u.a. auch in Londoner und New Yorker Weinbars. Insbesondere seitdem sich die Natural Wein Szene für ihn zu interessieren begann, ist aus dem lokalen Wein ein Exportartikel geworden. Sein Charme liegt darin, ihn bei Tisch zu fettigen, deftigen und schmackhaften, gut gewürzten Speisen zu trinken. Jeder Winzer hat sein eigenes Rezept zur Herstellung, aber ein paar Gemeinsamkeiten gibt es.

Er stammt aus den südlichen, kühleren Regionen des Landes namens Itata, Bio Bio und Maule. Zurück zu den Wurzeln der chilenische Weingeschichte. Die manchmal über 250 Jahre alten Reben wie die rote Pais (Criollo, Listan Prieto oder Mission Grape) und weiße Sorten wie Moscatel und Semillon, kamen mit den Padres bereits im 15. Jahrhundert ins Land. Darüber hinaus sind Rebsorten wie Carignan, Chasselas aka Corinto zu finden, die auf den sandigen Weinbergen aus verwittertem Granit und Basaltboden namens „de Trumao“ wachsen. Der Ausbau findet unterschiedlich in Fiberglas, Edelstahl oder alten Fässern statt.

Was ist das Besondere an den Weinen von Roberto Henriquez?

Roberto Henriquez gehört zu den jungen Wilden der hiesigen Szene. Seine Ausbildung machte er bei großen Playern wie Santa Ema und Santa Rita, doch seine wahre Bestimmung sollte er in Frankreich bei den Loire-Winzern Agnés und René Mosse erlernen.

Dem minimalen Einsatz von Hilfsmitteln und der stetigen Verfeinerung seines Stils, wie z.B. der Ertragsbegrenzung oder biodynamischen Bewirtschaftung, gilt Robertos Augenmerk. Obwohl er einige seiner Weine als Pipeño deklariert, entsprechen seine Interpretationen nur teilweise der bäuerlichen oder althergebrachten Mönchvariante. Diese wird zu 100 % aus Pais gekeltert, die Entrappung findet auf Zarandamatten (Zweigen eines chilenischen Bambus „coligües“) statt und die Vergärung in Rauli Wood, einer einheimischen Buchenart.

Für den Ausbau und die Reifung nimmt man gebrauchte sogenannte Pipa-Fässer. Bei Robertos Weinen kommen auch Edelstahl, Betontanks, große Fässer und gebrauchte alte oder ungetoastete Barriques zum Einsatz. Dennoch behält er wichtige, althergebrachte Stilelemente wie das Vergären im Rauli-Holz bei. Alle Weine sind spontan vergoren, unfiltriert, ungeschönt und unbehandelt, nur kurz vor der Abfüllung minimal geschwefelt. Wer von diesen Weinen nicht gekostet hat, der hat die Seele des südamerikanischen Weinbaus noch nicht gespürt.

Auf mehr chilenischen Spaß im Glas,

Hendrik, Bianca und das WaL-Team