Liebe Walinauten,
ein berühmter Winzer aus dem Beaujolais sagte mal zu mir: „Gamay is a good boy“! Okay, let’s check it out. Gamay ist nicht nur ein seichtes, rotes Wässerchen, das lange als Beaujolais Nouveau verramscht wurde. Wenn man den guten Jungen richtig behandelt, dann ist Gamay geschmacklich auf der Höhe der Zeit angekommen.
Weltweit gibt es immer mehr Winzer, die dieser Sorte Liebeserklärungen machen wie François Morissette, Arnot-Roberts oder Julien Sunier. Die Rebsorte ist nicht nur saftig und frisch, würzig und intensiv, sie ist auch ein hervorragender, sehr flexibler Essensbegleiter. Das ist in avantgardistische Weinbars von Paris, London oder New Yorker bekannt. Neben seiner Heimat, dem Beaujolais, läuft Gamay inzwischen auch über dem großen Teich zu Höchstform auf. Als perfekter Essensbegleiter finden vor allem die naturbelassenen Cru aus dem Norden des Gebietes immer mehr Freunde.
Was ist das Besondere an Gamay?
In Weinkreisen ist der Ruf der alten französischen Rebsorte Gamay seit längerem – vorsichtig ausgedrückt – eher durchwachsen. Nichts illustriert dieses ambivalente Verhältnis so gut, wie die die älteste bekannte urkundliche Erwähnung von Gamay in einem Dekret von Philipp dem Kühnen aus dem Jahr 1395. Darin wird der Anbau von Gamay wegen „der Schädlichkeit für die menschliche Gesundheit“ untersagt zugunsten von Pinot Noir. Ganz so schlimm kann es dann doch nicht gewesen sein. Denn rund fünfeinhalb Jahrhunderte später war sie die Rebsorte hinter dem erfolgreichsten Coup im Weinmarketing nach dem 2. Weltkrieg – dem Beaujolais-Nouveau.
Mit dem Beaujolais ist der Gamay so stark verwoben, dass eines seiner Synonyme Beaujolais-Traube lautet. Aber auch anderenorts ist er zu finden: direkt nebenan im Süden beispielsweise, im Maconnais. Oder an Teilen der Loire (Anjou und Saumur für Rosé und in Cuvées, im Tourraine auch sortenrein rot). Und selbst im Burgund findet sich – trotz des Verbots des Kühnen Phillips – noch Gamay in Weinen wie dem mit Pinot geblendeten Passetoutgrain. Lange Zeit wurde sie behandelt wie ein liebenswertes Familienmitglied (aber dennoch schwarzes Schaf) im Knast. Alle mochten sie, nur öffentlich durfte ihr Name nur geflüstert werden.
Weltweit wächst Gamay auf rund 37.000 Hektar, davon 34.000 in Frankreich und 23.000 im Beaujolais. Bei fallender Tendenz. In den World-Variety-Charts reicht es zurzeit nur noch für Platz 34. In den letzten Jahren ist die Sorte von einigen Protagonisten der Vin Naturel Szene wiederentdeckt worden, was zur neuen Popularität beigetragen hat. Außerdem hat sich in den Cru-Appellationen des Beaujolais sehr viel getan. Junge Winzer sorgen für einen Qualitätsschub und bekannte Häuser aus dem Burgund kaufen sich zunehmend im Beaujolais ein. Hier gab es bis vor einiger Zeit alte, eng gepflanzte Weinberge zu Schleuderpreisen.
Gamay ist eine natürliche Kreuzung aus Pinot und Gouais Blanc a.k.a. Weißer Heunisch. Er liefert eher helle, fruchtbetonte Weine. Wird er mit Hilfe der Macération Carbonique vergoren, kann seine primäre Frucht (Himbeere, Kirsche, zuweilen aber leider auch recht deutlich Banane) bis ins kitschig-groteske abgleiten. Doch auf geeigneten Böden, wie Granit, Urgestein und Kalk, entstehen ernstzunehmende Weine mit Tiefe und beachtlichem Alterungspotential von mehreren Jahrzehnten.
Wer steckt hinter unseren drei Gamays?
Drei mal Gamay, drei mal Spaß im Glas aus drei unterschiedlichen Länder und Produzenten. Der Gamay ist im französischen Beaujolais zu Hause, dennoch gibt es immer wieder ambitionierte Produzenten, die sie auch außerhalb ihrer Heimat anbauen und kultivieren. Wir arbeiten mit drei Winzern zusammen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Gamay zu mehr Rampenlicht in der hiesigen Weinwelt zu bringen.
Julien Sunier: Wie man als Sohn eines Friseurs zum Winzer wird, das ist die Geschichte des Julien Sunier. Denn die »Entdeckung des Jahres 2015« des renommierten französischen Weinmagazins Revue du Vin de France wurde zwar in einem Weinbaugebiet geboren, die Familie hatte jedoch keine engeren Beziehungen zum Wein. Juliens Vater arbeitete als Coiffeur und hatte einige Winzer als Kunden. Einer davon war Christophe Roumier. Es war genau dieser legendäre Winzer der bei Julien die Leidenschaft für Wein entfachte und ihn als Lehrling einstellte. 2008 hatte er die Möglichkeit, sechs Hektar rund 40 Jahre alter Weinberge in Morgon, Fleurie und Regnié zu erwerben. Neben Christophe Roumier konnte er die beiden Beaujolais-Winzer Jean-Louis Dutraive und Jean-Paul Thévenet als Berater gewinnen. Von Anfang an stellte er die Weinberge auf zunächst biologische und dann biodynamsche Wirtschaftsweise um. Julien Sunier erzeugt heute feine und filigrane Gamay, die er in gebrauchten Barriques aus dem Burgund ausbaut. Dass er dort sein Handwerk gelernt hat, diese Perfektion und Ausgewogenheit schmeckt man bei jedem Schluck.
Pearl Morissette: Selbst gestandene Weinkenner müssen alles verwerfen, was dem gängigen Klischee über kanadische Weine – und Weine generell – entspricht. François Morissette ist kein Anfänger und das beweist der ehemalige Sommelier mit großer Stilsicherheit und Talent. Sein Handwerk erlernte er über zehn Jahre bei einigen der berühmtesten Produzenten des Burgunds: Guy Roulot, Christian Gouges und Frederic Mugnier von Château de Chambolle. 2007 entschloss er sich, zusammen mit seinem Partner Mel Pearl, ein eigenes Weingut auf der Halbinsel Niagara Peninsula zu gründen. Ihre Weine passen in keine Schublade. Sie sind von wunderbarer Klarheit und Ausdruck ihrer Herkunft mit einer verblüffenden Sortentypizität.
Arnot-Roberts: In einer kleinen, bescheidenen Lagerhalle in Healdsburg in Nordkalifornien, entstehen einige der faszinierendsten Weine der neuen Generation. Das ist auf jeden Fall die Meinung des einstigen Mannes neben Robert Parker, Antonio Galloni der heute Chef des Onlineportals Vinous ist. Diese „Garagiste“ produziert keine holzüberladenen Alkholholgranaten, sondern feine, elegante Weine, die aus den kühleren Ecken und besten Lagen des „Sunshine States“ stammen. Die beiden Partner Duncan Arnot Meyers und Nathan Lee Roberts kommen aus tief mit der kalifornischen Weinbranche verwurzelten Familien. Es war im Jahre 2001, als sich beide entschlossen, den Grundstein mit vier Fässern Wein für Ihr Negociant Geschäft zu legen. Das, was sich andere nicht trauen anzubauen, keltert das Duo mit Leidenschaft und großem „Know How“. So gibt es in ihrem Portfolio so seltene Vertreter wie die weiße Trousseau aus dem Jura, oder der Gamay aus dem Beaujolais. Die beiden schauen nicht auf das was sich einfach verkauft, sondern auf das, was ihnen schmeckt und vor allem in die Zeit passt.
Auf mehr Gamay-Spaß im Glas,
Hendrik, Bianca und das WaL-Team
